22.11.2015

Mut - eine seltene Tugend im aufgeklärten Westen

Ich kenne in der deutschen Öffentlichkeit niemanden, der ähnlichen Mut hätte wie Shams Bandar.  Dafür viele, die an diesen jämmerlichen Journalisten, der sie interviewt, erinnern.

https://www.youtube.com/watch?v=EfWqM1hMTho&feature=share

18.10.2015

Alexander Dugin über die Flüchtlingskrise

Alexander Dugin, der Ideologe der "russischen Welt" mit Einfluss auf den Kreml, postete kürzlich bei Facebook: „… in die europäische Richtung ist richtig – wir müssen um Europa kämpfen und kontinentale Kräfte von extremistischen bis zu gemäßigten unterstützen. Das Migranten-Problem, das je nach Notwendigkeit weiter wachsen wird, ist ein sehr guter Anlass. Gewisse Sachen laufen uns von alleine in die Hände. Die Europäische Union bewegt sich rhythmisch auf einen Kollaps zu…"

Unsinn des russischen Expansionismus

Russland zeigt sich heute blind dafür, dass die expansionistische Zugabe der „russischen Welt“, die sich das Großfürstentum Moskau vor Jahrhunderten aneignete, längst ausgedient hat. Widersinnig und ohne auf sein bescheidenes ökonomisches und militärisches Potenzial zu achten, hält der Kreml am imperialen Prinzip fest, weil es nicht zu den Grenzen des Großfürstentums Moskau vom XVI. Jahrhundert zurückkehren will. Gibt aber Russland den Expansionismus nicht auf und öffnet es sich nicht der ehrlichen Partnerschaft mit der westlichen Welt, wird es sich einerseits Schritt für Schritt zum – wie es Zbigniew Brzeziński formulierte – „Vasallen Chinas“ entwickeln. Im Jahre 2014 wurde China in der Tat auf dem Energie- (Gasexporte) und Finanzgebiet (Stützung des im Dezember 2014 im freien Fall begriffenen Rubels) zum Schlüsselpartner Russlands. Andererseits wird der Kreml darauf angewiesen sein, im Lande die Kriegsstimmung zu erzeugen, die nicht nur auf die Ukraine, sondern überhaupt auf die Außenwelt abstoßend wirkt. Wenn amerikanische Versuche, mit militärischen Mitteln Werte der westlichen Welt in fremde kulturelle Kontexte zu exportieren, scheitern, betrachten die USA den angerichteten Schaden und ändern ihre Politik, ohne sich selbst in Frage zu stellen. Das Putin’sche Desaster wird dagegen unausweichlich die russische Identität mit in den Abgrund ziehen. Und das ist auch der größte Gewinn dieser Politik.

17.09.2015

Unsere Nationen, unsere EU und die Flüchtlingskrise

Am 1. August dieses Jahres, nachdem 65 Tsd. Flüchtlinge über die de facto offene EU-Außengrenze mit Serbien nach Ungarn gekommen waren, begann die dortige Regierung damit, an der prekären Grenzlinie einen vier Meter hohen Zaun zu bauen. Während die Bauarbeiten vonstattengingen, verdoppelte sich freilich die Zahl der in diesem Land angekommenen Flüchtlinge. Ungarn versuchte dabei vergeblich, gemäß den EU-Vorschriften die ungewünschten Ankömmlinge aus Mittelasien, West-Balkan, Afghanistan und Afrika zu registrieren und dem vorgeschriebenen Aufnahmeverfahren zu unterziehen. Da die Flüchtlinge jedoch aus nachvollziehbaren Gründen es nicht vor hatten, in Ungarn zu bleiben, verweigerten sie massenhaft die Prozedur, die sie erst in ihren Zielländern über sich ergehen lassen wollten. So kampierten die Gesetzlosen vor allem in Budapest und nutzten jede Gelegenheit, vor allem nach Österreich, Deutschland und Schweden - eben zu ihren Zielländern - zu fahren. Ungarn, dessen Behörden mit dieser Situation komplett überfordert waren und darüber hinaus kein besonderes Verständnis für das zu ihnen gekommene Leid zeigten, wurde wegen der entstandenen Zustände besonders in Österreich und Deutschland auf Heftigste beschimpft. Sogar einen politisch prominenten Nazi-Vergleich, der aus dem Heimatland Adolf Hitlers kam, musste es hinnehmen. Gleich beschimpft wurden aber auch jene "osteuropäischen" Länder, die wie etwa Polen (das zusätzlich zum Niveau seiner politischen Klasse noch das Pech hat, augenblicklich in einem schicksalhaften Wahlkampf begriffen zu sein), die Slowakei oder Tschechien sich offiziell gegen die festen Quoten aussprachen, mit denen die EU die Flüchtlinge an die Länder zuteilen sollte.

Der Widerspruch der "Osteuropäer" ist jedoch - wie übrigens die Idee der Quoten selbst - wenig wichtig. Wollten die "Osteuropäer" die ihnen von der EU aufgezwungenen Flüchtlinge loswerden, bräuchten sie doch den Unglücklichen lediglich einen legalen Aufenthaltstitel bzw. gar ihre Staatsbürgerschaft zu geben. Dann würden sich die Betroffenen von sich aus gleich nach Österreich, Deutschland oder Schweden begeben, wo sie im Gegensatz zu "Osteuropa" Milieus der eigenen Kultur finden könnten. Wer folglich für die Quoten für die "Osteuropäer" eintritt, wie ungeschickt sich diese in der gegenwärtigen Krise auch anstellen mögen, der (die) tritt realiter für die Einrichtung von Konzentrationslagern für die Flüchtlinge in "Osteuropa" ein. Bestenfalls nach ein Paar Jahren wird die Mehrheit von ihnen ohnehin im geografischen Westen der EU landen.

Zwischendurch lernen die Deutschen langsam, aber immerhin die Realität. Nachdem die Bundeskanzlerin  mit ihrem Spruch "Wir schaffen es" die Flüchtlinge ins Land (und ganz nebenbei - in andere Länder) gerufen hatte (wahrscheinlich aus dem Kalkül heraus, das bessere gegen das schlechtere Deutschland politisch für sich zu mobilisieren), erwiesen sich die Behörden in Bayern wesentlich schneller als das um das Vielfache ärmere Ungarn als mit der Situation komplett überfordert. Offenbar versucht Deutschland nun, zusammen mit Österreich dafür zu sorgen, dass die große Gruppe der Flüchtlinge aus den West-Balkan-Ländern noch vor dem Übertritt der österreichisch-deutschen Grenze in ihre Ländern, in denen es keine politische Verfolgung gibt, zurückgeschickt wird. Nur die verbliebenen Flüchtlinge dürfen nach Deutschland weiter reisen. In den Medien tauchte die Idee auf, an der Grenze zu Österreich, einen Grenzzaun aufzubauen.

Aber die Medien und das Volk sind nach wie vor von einer angstvoll-selbstgefälligen Hysterie ergriffen. Sie suchen die Schuldigen für das Versagen der nationalen Politiken der EU mit Vorliebe in "Osteuropa" und wollen es sogar mit Kürzungen der Strukturfonds bestrafen. Thomas de Maiziere, der sich augenblicklich als ein ebenso handlungsfähiger Innenminister wie früher Verteidigungsminister zeigt, äußert sich ganz offen in diesem Sinne. Mittlerweile hetzt er auch gegen die Flüchtlinge selbst. Das ist sicher leicht, nachdem man nicht für eine angemessene Rechtsgrundlage für die Aufnahme und Selektion der Flüchtlinge gesorgt hatte. Die "Osteuropäer" selbst wiederum diskutieren augenblicklich auf eine der deutschen ähnlich gescheite Art und Weise über die Gefahren der gescheiterten "Assimilation von Menschen fremder Kulturkreise", mit der sie - nebenbei bemerkt - keinerlei Erfahrung haben. Ein bekannter polnischer Politiker (promovierter katholischer Philosoph, er heißt Gowin) beeilte sich im Zusammenhang der Diskussion über die Flüchtlingskrise zu betonen, er würde niemals zulassen, dass nur ein polnischer Säugling von der Bombe eines Terroristen in Stücke zerrissen werden würde.

Da haben wir die EU von heute: solidarisch, weltläufig, handlungsfähig. Und vor allem: wirklich europäisch. Mit ihrem europäischen Denken zeigt sie sich wieder als besonders dazu prädestiniert, bei der Lösung der globalen Probleme mitzuwirken. Das aber nur wegen des in der EU heiligen, ungeschriebenen Grundsatzes: Sie darf sich nicht zu einem Staat entwickeln, der sich den genuin europäischen Problemen der EU-Nationen annehmen würde, ohne auf die Regierungen dieser Nationen Rücksicht nehmen zu müssen.

30.08.2015

Deutsche Flüchtlingspolitik: Wie immer verlogen

Über den "Ansturm der Flüchtlinge" klagen sie alle: die Bundesregierung, Landes- und Kommunalpolitiker, Verbände, repräsentative Stimmen aus dem so ausländerfreundlichen deutschen Volk. Scheinbar will Deutschland eine gemeinsame Flüchtlingspolitik der EU, die die Aufnahmequoten für alle Mitglieder der Union bestimmt. Weshalb fordern aber die gleichen Akteure nicht eine Reform der EU, die ihr das Recht gibt, die Quoten selbst zu bestimmen? Schelm, der sich bei der Suche nach der Antwort auf diese Frage denkt, dass diese deutschen Europäer keine Kompetenzen ihres an der Flüchtlingsfrage komplett versagenden Staates an die Union abgeben wollen, während sie lautstark für "mehr Europa" und "europäische Solidarität" eintreten. Ganz nebenbei sterben in Europa und an ihren Außengrenzen hunderte Menschen, die ihr Leben retten bzw. lebenswert gestalten wollen. Die "europäische" nationale Beschränktheit - auch und angesichts des deutschen politischen Gewichts in der EU vor allem in Deutschland - ist für deren Leiden und Tod verantwortlich.

02.08.2015

Warschau' 44 im ZDF

Unbedingt zu sehen - https://erinnerung.hypotheses.org/495 -  falls möglich. Zum ersten Mal schenkt das öffentlich-rechtliche Fernsehen zur besten Sendezeit (heute, 22.00 Uhr, ZDF, poln. Spielfilm Warschau' 44)  der polnischen Wahrnehmung des Zweiten Weltkrieges die Aufmerksamkeit. Damit es nach einem Vierteljahrhundert der polnischen Unabhängigkeit passieren konnte, musste Polen seine Systemtransformation erfolgreich meistern und wegen der neuen wirtschaftlichen und politischen Stärke zu einem Spieler in der EU werden, über den man in Deutschland nicht mehr hinwegsehen kann. Lieber später als gar nicht...

23.07.2015

Die BAPP und die Freiheit des Wortes

Erst jetzt, zu Beginn der vorlesungsfreien Zeit, komme ich endlich dazu, hier die letzte email aus meiner leidigen Korrespondenz mit der Bonner Akademie für Forschung und Lehre Praktischer Politik (BAPP) zu posten. Ich erhielt zwischendurch sogar einen vorwurfsvollen Anruf von der wissenschaftlichen Seite der Akademie, ich hätte in meinem früheren Post (nachzulesen hier) den email-Wechsel nur unvollständig wiedergegeben. Wie jeder überprüfen kann, entbehrt dieser Vorwurf jedweder Grundlage: Ich hatte die Korrespondenz am 31. März d.J. publik gemacht, d.h. lange bevor am 29. April die besagte letzte email des Geschäftsführers der BAPP, Dr. Boris Bergers, an mich geschickt wurde. Trotzdem habe ich damit nicht das geringste Problem, auch sie hier zu veröffentlichen (siehe unten).

Die tückische Wortwahl und der absurde Inhalt überraschen mich bei diesem Geschäftsführer nicht. Knapp zwei Monate zuvor hatte er die Veröffentlichung meines von der Akademie bestellten Manuskripts abgelehnt. Jetzt "erneuert [er nun] noch einmal das Angebot", meine "Ergebnisse in der Publikationsreihe der Akademie zu publizieren". Das klingt so, als hätte ich mich früher mehrfach geweigert, gleiches Angebot anzunehmen. In Wirklichkeit hatte ich mich im September 2013 schriftlich u.a. dazu verpflichtet, mein Projekt mit einer Publikation für die BAPP abzuschließen. Diese Verpflichtung habe ich termingerecht - Anfang Februar 2015 - erfüllt. Es waren aber Dr. Berger und der Akademie-Leiter Udo Hombach, beide herausragende Experten in den Fragen Osteuropas, der Wissenschaftlichkeit, obendrauf noch unübertroffene Meister der deutschen Sprache, die meinen "antirussischen" Text "als politisch einseitig, wissenschaftlich zumindest leicht angreifbar und sprachlich oftmals zu drastisch" disqualifiziert hatten.

Nach dieser Ablehnung habe ich keinerlei Anstalten unternommen, um einen Sinneswandel in der Akademie-Führung zu erreichen, weil ich die Gleichsetzung von Kritik an Putin und seinem Regime mit Russlandfeindlichkeit für niveaulos halte. Vielmehr habe ich nach einem Verlag Umschau gehalten, der mein Buch publizieren würde. Ich kann aber nicht ausschließen, dass eben mein Post mit der hier zitierten, hinsichtlich ihrer geistigen und intellektuellen Simplizität geradezu betörenden email Dr. Bergers den Meinungsumschwung der Akademie mitgewirkt hat. Denn die von mir veröffentlichten Worte des Geschäftsführers erscheinen als ein weiterer Beleg dafür, dass die BAPP zum Kreis der deutschen "Putin-Versteher" gehört, zumal sie kurz nach dem Mord an Boris Nemzow geschrieben wurden...

Wie ich es heute einschätzen kann, weist die BAPP-Führung in Sachen Russlands und der Ukraine nicht nur baträchtliche Kompetenzdefizite auf, sondern sie ist vielmehr an dieser Kompetenz nicht sonderlich interessiert. Business as usual scheit auf diesen Feldern ihr schlichtes Motto und zugleich Programm zu sein. Obwohl ich zumindest in ihrem Umfeld trotzdem vielleicht einen kleinen Kompetenzzuwachs bewirken könnte, habe ich zu keinem Zeitpunkt ernsthaft überlegt, ihren Vorschlag vom 29. April anzunehmen. Ich werde selbstverständlich mit der wissenschaftlichen Leitung der BAPP keinen Kuhhandel treiben, um einvernehmlich zu bestimmen, welche "polemische Passagen" meines Textes auf Putin-Unterstützer bzw. Putin-Freunde in Deutschland "möglicherweise irritierend" wirken. Obwohl ich ausgerechnet auf diesem Feld von der Akademie gewiss Einiges lernen könnte.

Es tut mir sehr Leid, es über eine Einrichtung, für die ich anderthalb Jahre redlich gearbeitet habe, so sagen zu müssen, aber das in der email Dr. Bergers wiederholt vertretene Verständnis des freien Wortes und Wissenschaft ist ein Witz... Aus Geschichte nichts gelernt.


Die email Dr. Bergers vom 29. April im Wortlaut:

Sehr geehrter Herr Professor Maćków,

Bezugnehmend auf das von Ihnen geplante und von der BAPP finanzierte
Publikationsprojekt zum Forschungsprojekt möchte ich nach Rücksprache
mit unseren Gremien noch einmal das Angebot erneuern, Ihre Ergebnisse in
der Publikationsreihe der Bonner Akademie zu publizieren.

Dabei bitten wir Sie, die zwischen uns thematisierten polemischen
Passagen, die auf Leser möglicherweise irritierend wirken, zu streichen
oder durch mildere Formulierungen zu ersetzen, damit unnötige Reaktionen
verhindert werden.


Dazu setzen Sie sich am besten mit dem Wissenschaftlichen Leiter unserer
Einrichtung, Herrn Prof. Dr. Frank Decker, in Verbindung, der Ihnen
entsprechende Vorschläge machen kann.

Mit freundlichen Grüßen
Boris Berger


Ich gehe davon aus, dass damit die Angelegenheit abgeschlossen ist.

16.07.2015

Vier Argumente gegen die (halb)offizielle deutsche Selbstgefälligkeit in der Griechenland-Krise

Es geht wirklich zu weit, dass ausgerechnet in Deutschland, und konkret in den deutschen Medien, immer wieder "die osteuropäischen Staaten" als das Vorbild  für "die Griechen" herangezogen werden. Um sich wirtschaftlich aufzurichten, hätten "die Osteuropäer" so viele Entbehrungen auf sich genommen gehabt, dass angesichts dessen die griechischen Reformbemühungen der letzten Jahre verblassen würden. Ohne gegen dieses politische und mediale Hauptargument inhaltlich vorzugehen, sei hier auf vier Sachverhalte hingewiesen:

Erstens würde dieses unerwartete Lob der Mittel- und Nordosteuropäer nur dann glaubwürdig klingen, wenn die gleichen Medien es auch zuvor ausgesprochen hätten. Dies geschah aber nicht, obwohl viele postkommunistische Reformländer ihre Wirtschaftstransformation besser gemeistert hatten als die Deutschen. Es vergingen mittlerweile ganze Jahrzehnte, seitdem diese Tatsache für die gutwilligen Beobachter (etwa in der angelsächsischen Welt) offensichtlich geworden war. Brauchte man in Deutschland wirklich die Griechenland-Krise, um den Erfolg einiger postkommunistischer Länder zu würdigen?

Zweitens: Es waren ausgerechnet die Deutschen, die die wirtschaftsliberalen Reformen in den heute in den meisten deutschen Medien plötzlich als besonders erfolgreich anerkannten postkommunistischen Ländern - speziell in den baltischen Staaten und Polen - am kritischsten betrachtet hatten. In Deutschland hatte man sich während der dortigen Systemtransformation - dh. besonders in der ersten Hälfte der neunziger Jahre - fast beleidigt gegeben, dass in Mittel- und Nordosteuropa die bereits damals längst zur Worthülse verkommene deutsche "soziale Marktwirtschaft" nicht als das Vorbild betrachtet wurde. Die meisten Empfehlungen, die die deutschen Eliten damals Richtung europäischen Osten ausgestoßen hatten, waren schlichtweg wirklichkeitsfremd und ignorant gewesen. Inhaltlich ähnelten sie übrigens jenen heute hierzulande so verfemten Vorstellungen, mit denen in Griechenland die Syriza im Januar die Parlamentswahlen und Aleksis Tsipras im Juli das Referendum gewonnen haben. Nebenbei bemerkt: Dass Tsipras vor einigen Monaten zum Verbrecher und EU-Feind Putin gefahren ist, um Hilfe zu erbitten, darüber haben sich diese Medien keineswegs einhellig empört.

Drittens ist es ausgerechnet Wolfgang Schäuble, den die meisten deutschen Medien heutzutage gegen die Kritik aus aller Welt heftig verteidigen, im eigenen Land niemals als Reformpolitiker oder wenn auch nur ein guter Finanzminister aufgefallen. Deshalb wirkt seine andauernde Griechenland-Schelte nicht gerade glaubwürdig. Er ist daher - milde gesagt - ein falscher Lehrmeister für Griechenland (von der EU oder der Euro-Zone ganz zu schweigen).

Viertens haben die allermeisten Deutschen so gut wie keine Ahnung von "den osteuropäischen Staaten", wozu neben der deutschen Schule ausgerechnet jene Medien, von denen hier die Rede ist, entscheidend und redlich beigetragen haben. Und wenn man etwas nicht weiß, soll man darüber schweigen.



28.06.2015

Kurz zum Referendum in der Griechenland-Krise



Wenn wir in der EU eine Demokratie und kein Diktat der (augenblicklich) Stärkeren hätten, wäre es für Griechenland um Einiges leichter, die dringend notwendigen liberalen Wirtschaftsreformen durchzuführen, die das Land in zwei oder drei Jahrzehnten aus seiner Verschuldungsfalle führen würden. Dies gilt um so mehr, als die besagten Stärkeren, die sich in Ihrer Rolle des informellen EU-Direktoriats mittlerweile ganz gut zu gefallen scheinen, selbst nicht die EU-Regel einhalten. Vergessen scheint, dass es ausgerechnet Deutschland und Frankreich waren, die eigenhändig (d.h. mit den Händen des heutigen Putin-Angestellten Schröder und seines damaligen Präsidenten-Kollegen aus Frankreich Chirac) den europäischen Stabilitätspakt demoliert haben. Es wird zudem schamhaft verschwiegen, dass sogar der selbst ernannte Lehrmeister Deutschland, das von den niedrigen Zinsen der Euro-Verschuldungskrise besonders stark profitiert, immer noch zu hoch verschuldet ist. 

Vor diesem Hintergrund des informell durchgesetzten Diktats und der Heuchelei stellt das von Alexis Tsipras angekündigte Referendum (de facto über den Verbleib seines Landes in der EU-Zone) einen nachvollziehbaren Schritt dar. Es verspricht nämlich demokratische Legitimation für die griechische Grundentscheidung, eine Entscheidung, die nach dem Ausbruch der Krise vor ein Paar Jahren nur auf undemokratischem Wege getroffen worden konnte. 

Die Griechenland-Krise zeigt nicht nur, wie undemokratisch unsere Europäische Union strukturiert ist, sondern auch, wie undemokratisch ihre Politiker und Völker sind. Da sich ihr Nationalismus mit der längst fälligen Demokratisierung der Union nicht verträgt, sorgen sie dafür, dass selbst im Zuge der gegenwärtigen Krise nicht über eine demokratische EU gesprochen wird, von entsprechenden Reformen ganz zu schweigen. Stattdessen empören sie sich lautstark darüber, dass ein griechischer Politiker nach demokratischer Legitimation für seine Politik, die das Schicksal seines Landes nachhaltig prägen wird, sucht. Es ist in diesem Zusammenhang absolut zweitrangig, dass dieser Politiker vom intellektuellen und ideologischen Schlag eines Gregor Gysi und einer Sahra Wagenknecht ist.

25.04.2015

Der Völkermord an den Armeniern 1915-1916

Deutschland erwacht allmählich aus der Verlogenheit und feiert sich dabei selbst (man weiß nicht genau, was den Betroffenen wichtiger ist). In der Frage des Völkermordes, die für das vergangene Jahrhundert doch von einer gewissen Bedeutung ist, gibt es einen Wandel. Der massenhafte türkische Mord an Armeniern in den Jahren 1915-1916, der vom deutschen Kaiserreich irgendwie wohlwollend begleitet worden ist, wird ab jetzt offiziell und mit medialen Paukenschlägen als "Völkermord" ("Genozid") bezeichnet. Erwartet wird, dass sich obrigkeitshörige deutsche Eliten in Medien, Wissenschaft und wo auch immer auf diese nun "verbindliche" Nomenklatur einspielen werden.

Es sei bloß daran erinnnert, dass sich der Schöpfer der Genozid-Konvention der UNO vom 1948, der polnische Völkerrechtler Rafał Lemkin, bereits in den zwanziger Jahren mit dieser Art Verbrechen auseinandersetzte, wozu ihn ausgerechnet das tragische Schicksal der Armenier angeregt hatte.

Unvorstellbar, dass man in einem freien Land (nach Hitler) 70 Jahre gebraucht hat, um der Wahrheit gerecht zu werden. Geächtet seien die Mörder und ihre Unterstützer.

Władysław Bartoszewski ist tot

Einer der größten Europäer des 20. Jahrhunderts. Gefangener von Auschwitz, Retter von Juden in der Organisation Żegota, Gerechter unter den Völkern, Soldat der Heimatarmee, Teilnehmer des Warschauer Aufstandes 1944, Gefangener des Stalinismus, Internierter im Kriegszustand, Wegbereiter der deutsch-polnischen Aussöhnung, Publizist, Historiker, Politiker (zweimaliger Außenminister im freien Polen). Katholischer Christ. Bis zuletzt politisch und in der Öffentlichkeit aktiv. Er verstarb gestern (am 24. April 1915) im Alter von 93 Jahren, und erinnerte uns nochmals daran, was im Leben von Bedeutung ist.

18.04.2015

JERZY J. MAĆKÓW: Mein (und Andreas Umlands) Interview mit dem Schwe...

JERZY J. MAĆKÓW: Mein (und Andreas Umlands) Interview mit dem Schwe...: Diesen Text habe ich für das Interview, das vor einer Woche mit mir telefonisch durchgeführt wurde, autorisiert: Putins Interesse in ...

Mein (und Andreas Umlands) Interview mit dem Schweizer Rundfunk


Diesen Text habe ich für das Interview, das vor einer Woche mit mir telefonisch durchgeführt wurde, autorisiert:

Putins Interesse in der Ukraine ist es, das Land zu unterwerfen. Ein jahrelanger "hybrider Krieg" würde das Nachbarland schwächen und den Anschluss an den Westen unmöglich machen. Putin strebt meiner Meinung nach einfach nicht danach, das Land zu besetzen. Das kann sich Russland - ein Rentier-Staat ohne eine starke Volkswirtschaft - gar nicht leisten. Vielmehr möchte er die Entwicklung der Ukraine so beeinflussen wie unter Kutschma und Janukowytsch. Das Land soll zu einem willfährigen Satelliten Russlands werden. Das wäre die Maximalvariante. Die Minimalvariante aus Sicht Putins wäre es, wenn man sich aus den umkämpften Gebieten der Ost- und Südukraine zurückzieht, nachdem ein Landweg von Russland zur Krim gesichert wurde. So oder so, muss Putin aus innenpolitischer Sicht als Sieger aus dem Ukraine-Konflikt hervorgehen. Müsste Russland für den Wiederaufbau von Donbass Geld zahlen, wäre das nicht der Fall. Deshalb hat er auch an der Annexion vom Donbass augenblicklich kein ernsthaftes Interesse. Denn Donbass das sind Gebiete und Wirtschaftsstrukturen, die sehr lange subventioniert und reformiert werden müssten. Dabei würden wir von Summen sprechen, die um ein vielfaches höher wären als auf der Krim. Der Donbass dient Putin nur dazu, den Konflikt mit der Ukraine am Kochen zu halten. Denn die ursprüngliche russische Strategie ist in der Ukraine nicht aufgegangen – sogar auf der Krim wäre ohne das russische Militär kein Anschluss an Russland durchgesetzt worden. Offensichtlich hatte das russische Regime gehofft, dass die separatistischen Kräfte im Osten und Süden des größten westlichen Nachbars wesentlich stärker sind - und es hat sich verschätzt.

Russland ist von jeher ein Imperium (kein Nationalstaat) und Putin will diesen imperialen Charakter beibehalten. Was die Russen selbst ihre Kulturwelt - die "russische Welt" - nennen, basiert in etwa seit dem 15 Jahrhundert auf zwei Pfeilern: Despotie (uneingeschränkte Macht, die Herrschenden dürfen alles – den Gesetzen zum Trotz) und Imperialismus (Streben des Zentrums nach Erweiterung der Peripherie und nicht nach der Absicherung der eigenen Grenzen). Im Verständnis dieser Kulturwelt macht Putin derzeit vieles richtig. Nur was nutzt das Russland? Nichts. Putin löst keine Probleme, sondern schafft bloß neue. Er hat die Ukraine, die zwei bis drei Jahrhunderte lang unter russischer Herrschaft stand, für immer verloren. Er hat Russland mit dem Westen zerstritten. Er hat die NATO Russland gegenüber handlungsfähig gemacht. Er hat die EU politisch geeint. Sein Land wird international geächtet. Innenpolitisch führt er Russland konsequent in eine Krise, die die "russische Welt" in Frage stellen wird.

In der Krise der neunziger Jahren war das postsowjetische Russland bereits auf dem schwierigen, aber hoffnungsvollen Weg der Neuerfindung. Doch mit der damals sich abzeichnenden langen Gestaltung einer neuen, diesmal nationalstaatlichen Identität kam die Mehrheit der Russen nicht zurecht. Und dann kam Putin, der diese Entwicklung abwürgte. Für ihn war der Zerfall der Sowjetunion die grösste Katastrophe des 20. Jahrhunderts. Unter seiner Ägide wurde die Inkompatibilität der "russischen Welt" mit der Modernität zu einem Tabu-Thema und die Erstgenannte heiliggesprochen. Die exorbitant gestiegenen Ölpreise haben es ihm zudem möglich gemacht, die in Russland populäre Ansicht zu verbreiten, die Zukunft Russlands liegt in seiner Vergangenheit.

Wenn Putin nicht mit dem Westen kooperieren will, dann wird er zum Vasallen Chinas - das behauptet Zbigniew Brzezinski. Zu Recht. Die Chinesen haben Russland im Jahre 2014 mehrmals unter die Arme gegriffen. Sie haben massiv den Rubel gestützt und mit Moskau einen Pipeline-Vertrag für Gaslieferungen geschlossen, dessen wahre Kosten für Russland bis heute eunklar sind. So macht sich der Kreml von den Abnehmern in der EU unabhängig und abhängig von China. Meiner Meinung nach muss eine solche Politik auf lange Sicht zum schrittweisen Souveränitätsverlust führen. Denn selbst für Europa und USA ist es schon schwer genug, dem neuen wirtschaftlichen Schwergewicht Paroli zu bieten. Wie soll das wirtschaftlich unterentwickelte Russland dann schaffen?

Aus meiner Sicht braucht Russland keinen Putin, sondern eine Wiederbelebung der von ihm aufgehaltenen Modernisierung. Diese lässt sich mit Importen von ebenso Lebensmitteln wie technologisch hochentwickelten Waren nicht gleichsetzen, selbst wenn die westliche Exporteure, vorzugsweise jene von Luxusautos, dies immer wieder tun. Echte Modernisierung setzt nämlich einen tief greifenden Gesellschafts- und Kulturwandel voraus, so wie er nach dem Kommunismus im Mitteleuropa erfolgreich eingeleitet bzw. vollbracht wurde. Für beides muss die Staatsmacht in Zusammenarbeit mit dem jungen Mittelstand sorgen. Er ist in Russland immer noch extrem schwach. Trotzdem verabscheut er bereits heute die allgegenwärtige Korruption des russischen Staates und äußert nach und nach seine politischen Partizipationswünsche. Da das Putinsche Regime jedoch vom Erhalt des oligarchischen status quo zehrt, will es keinen starken Mittelstand und auch keine Modernisierungspolitik.

Europapolitik: Putin wird weiter versuchen – so lange wie die Sanktionen gegen Russland in Kraft sind bzw. über diese entschieden werden soll - die EU zu spalten. Eine einheitlich handelnde EU kann er derzeit nicht gebrauchen. Wenn die Ukraine-Krise allerdings eines Tages vorbei sein sollte (woran ich in absehbarer Zeit nicht glaube), wird Putin eher an einer starken EU interessiert sein. Denn er braucht sie als Gegenpol zur USA. Selbst wenn es Putin ab und zu gelingt, den Westen zeitweilig zu spalten, ändert das nichts daran, dass seine 2014 vollbrachte politische Wende zum Scheitern verurteilt ist, obwohl diese Politik  20 Jahre und mehr dauern kann. Putins Absetzung könnte zwar ihr schnell ein Ende setzen, aber diese ist wenig wahrscheinlich. Der russische Präsident ist augenblicklich unersetzbar, was auch seine politischen Gegner in Russland wissen. Sein plötzlicher Abgang würde Russland wahrscheinlich ins Chaos stürzen. Es kommt hinzu, dass er nicht die Absicht hat, die Macht abzugeben und alles tun wird, sie beizubehalten. Ein Rücktritt ist für jemanden, der zur zentralen Figur eines verbrecherischen Regimes geworden ist, immer gefährlich.

Verhältnis zur USA: Die Vereinigten Staaten werden in Russland wieder als der Gegner Nummer eins dargestellt. Es ist ein Erbe der kommunistischen Zeit, das Putin nach Kräften befeuert. Darin drückt sich eine unglaubliche Doppelmoral der russischen Eliten aus. Sie lassen ihre Kinder und ganze Familien mit Vorliebe in den USA und überhaupt im westlichen Ausland leben, auch das Vermögen wird gern dahin geschafft, weil es dort sicher ist – aber Zuhause werden USA und Westen weiterhin als das Böse verkauft. Die Propagandamaschine diesbezüglich läuft auf Hochtouren und sie verfängt zum grossen Teil, weil sie sich perfekt in die "russische Welt", für die Russland einen Anspruch auf eine führende Stellung in der Welt hat, einfügt.
 
Überhaupt ist die Einstellung Russlands gegenüber den Vereinigten Staaten und dem Westen irrational. Denn nur die Europäer und die USA könnten echte Partner für Russland sein, zumal bei der gewaltigen Modernisierungsaufgabe. Sie wären auch die einzigen, die sich darüber freuen würden, es in der wirtschaftlichen und institutionellen Gemeinschaft zu begrüssen, und auch keinerlei territoriale Ansprüche hätten. Bei China sieht das schon wieder ganz anders aus. Denn Peking hat zum Teil berechtigte territoriale Ansprüche, die es möglicherweise eines Tages auch anmelden wird. Putin ist aber aus nachvollziehbaren Gründen eine "Internationale der Autokraten" wichtiger als eine echte Kooperation mit dem demokratischen Westen.

Daraus ist dieses publizierte Interview geworden:




08.04.2015

"Leviathan", "Ida" und Deutschland

Habe heute "Leviathan" von Andrej Swjaginzew gesehen. Dieser Film, der in Deutschland sehr gute bis phantastische Presse hat, läuft in Regensburg seit einer Woche (einmal pro Tag) in einem einzigen Programmkino und ist dort noch bloß ein Paar Tage zu sehen. Regensburg hat ca. 150 000 Einwohner und ist eine Universitätsstadt (knapp 20 000 Studenten). Heute teilte ich in der Metropole von Oberpfalz den Saal des besagten Kinos mit ... acht weiteren Menschen. Dem Aussehen der Besucher nach zu urteilen, gab es darunter eine einzige Person unter 50. Wahrscheinlich gibt es an einem einzigen Abend mehr Studenten, die sich in der ehrwürdigen Regensburger Altstadt betrinken, als solche, die sich während der vergangenen sieben Tage "Leviathan" angeschaut haben. Und wie viele Städte wie Regensburg gibt es in Deutschland?

"Leviathan" ist ein großartiger Film, in dem die Wirklichkeit der russischen Politik und Gesellschaft sehr intensiv und schonungslos vermittelt wird. In einem Land, in dem Russland (normalerweise leider einem Verbrecher, der dort an der Macht sitzt, gleichgesetzt) seit gut einem Jahr vielleicht das mediale Thema schlechthin darstellt, hätte man eigentlich erwartet, dass ein derartiges Ausnahmewerk mehr Interesse hervorruft.

Das Jahr 2014 brachte (zumindest) zwei ausgezeichnete Filme aus Mittel- und Osteuropa: eben "Leviathan" und "Ida" des polnischen Regisseurs Pawel Pawlikowski. Beide konkurrierten um den diesjährigen Oscar für den besten ausländischen Film. "Ida" gewann, und das wahrscheinlich verdient, weil es schlichtweg ein perfektes Filmdrama: vollkommenes Drehbuch, phantastisch gespielt, eigene Ästhetik, klug, eigenwillig, spannend, manchmal ironisch. "Leviathan" hat  hingegen "klitzekleine" Schwächen - vielleicht hätte man ihn zehn Minuten kürzer machen können. Trotzdem grenzt es an ein Wunder, dass ein solches Werk im Putinschen Russland gedreht und gezeigt werden konnte.

Beide Filme zeigen, wozu polnische und russische Filmkunst fähig ist. Die trotz der überschwänglichen Rezensionen winzige Resonanz beider Filme in Deutschland zeigt, wie wenig dieses Land an der Mitte und Osten Europas interessiert ist. Mit anderen Worten: Diese Resonanz zeigt, wie wenig europäisch Deutschland ist.


31.03.2015

Bonner Akademie für Praktische Politik (BAPP) lehnt eine bestellte Publikation über die Ukraine-Krise ab

Ein vielleicht aufschlussreicher email-Wechsel. 

Es ist am besten, die emails chronologisch, d.h. von unten nach oben zu lesen. 

1) In der ersten email (vom 30. März 2015, hier ganz unten) werden der BAPP von einem Mitarbeiter von mir "friedliche" Vorschläge unterbreitet, wie man das Problem der von der Akademie angemahnten Überlänge der bestellten und lang geratenen Publikation lösen könnte.

2) Die zweite email (auch vom 30. März) stellt die Antwort des Geschäftsführers der BAPP auf diese Vorschläge dar.

3) In der dritten email (vom 31. März, hier ganz oben) reagiere ich auf die Ausführungen des Geschäftsführers.

Nachtrag: Die BAPP hat einige Wochen später ihre Meinung doch verändert, aber nicht ihre Einstellung zur Freiheit des Wortes: http://jerzy-mackow.blogspot.de/2015/07/die-bapp-und-die-freiheit-des-wortes.html


Lieber Herr Dr. Berger,

ich bedanke mich sehr für Ihre ausführliche und offene email.
Als ich vor knapp einem Jahr im Rahmen meines BAPP-Projekts in der APuZ einen Essay über den Majdan veröffentlicht habe, haben Sie mir dazu noch gratuliert, obwohl er im gleichen "einseitig" freiheitlichen Duktus verfasst war wie meine "Abschlusspublikation", die sie nun ablehnen. Den inhaltlich zentralen Absatz des Essays habe ich sogar in die besagte "Publikation" aufgenommen, in der ich zeige, dass die Ukraine-Krise weder am Verhandlungstisch noch militärisch gelöst werden kann. Sie wird uns noch sehr lange begleiten, bis Russland in einer neuen smuta ankommt, in die es von Putin konsequent geführt wird. Die BAPP schlug mir übrigens nachweislich u.a. vor, jene Passagen meines Textes, in denen ich dem Leser erkläre, was "smuta" und die "russkij mir" bedeuten, zu streichen...

Ich finde es trotz all dieser eigentlich himmelschreienden Ignoranz sehr anständig von Ihnen, dass Sie nicht mehr vorgeben, Sie würden an der Länge des von mir erstellten Textes Anstoß nehmen. Sie geben zu, dass ihnen dessen politische Ausrichtung nicht gefällt. Ich kann damit sehr gut leben, dass Sie meinen Text insofern nicht als "sachlich" erachten. Sachlichkeit ist die Frage der Kompetenz. Ich gebe offen zu, dass ich Ihr Niveau der Ukraine- und Russland-Kompetenz sehr gern verfehle.

In gewisser Weise beruht die Unversöhnlichkeit unserer Positionen jedoch auf Ihrem Missverständnis des Politischen in einer freien Gesellschaft. Diese akzeptiert nämlich die politische Vielfalt. Ich erkläre es Ihnen mit einem einfachen Beispiel, das Russland betrifft: Mein politisches Russland das ist Russland Lew Gudkows (erinnern Sie sich noch an ihn bei der ersten Veranstaltung meines Projekts?) oder Boris Nemzows bzw. Lilia Schewzowas. Dieses meine Russland ist politisch so weit von Ihrem Russland entfernt wie Ihr politisches Deutschland von meinem. Selbstverständlich mache ich Ihnen wegen dieser Entfernung in einer freien Gesellschaft keine Vorwürfe. Sie sind hierzulande doch ebenso wenig dazu verpflichtet, Ahnung über Russland oder Lilia Schewzowa zu haben, wie ich über, sagen wir, Zentralafrika. Aber gerade deshalb ist es, lieber Herr Dr. Berger, voreilig und verkürzt, dass Sie meine Ausführungen im besagten Text "Russland-feindlich" nennen. Denn Ihr Russland (oder eher: Ihre vage Vorstellung davon) ist nicht das alleinige Russland. Lew Gudkow und  meine anderen russischen Freunde, die allesamt unter dem gegenwärtigen verbrecherischen Regime der Russländischen Föderation leiden, sind auch Russland. Nicht erst seit Februar dieses Jahres werden Menschen diesen Schlages in ihrem eigenen Land auf offener Straße erschossen. In der Propaganda des Putinschen Regimes werden sie auch als "Russland-feindlich" diffamiert.

Trotz der gravierenden politischen Unterschiede im Verständnis Russlands und der Politik müssen wir miteinander auskommen, ohne präventive Zensur auszuüben. Diese meinen Sie doch, wenn sie von Versuchen schreiben, mich "zu einer Veränderung ...[meines] Ansatzes für die Publikation zu bewegen". Haben Sie bitte Verständnis dafür, dass ich mit meiner Erfahrung eines sowjetsozialistischen Systems die Zensur zutiefst verachte, weshalb Ihr zuletzt offenes Eingeständnis, Sie würden die mir von der BAPP in Auftrag gegebene Publikation aus politischen Gründen ablehnen, Respekt verdient. Dadurch bekomme ich übrigens die Chance, meinen Text in einem seriösen Verlag zu veröffentlichen. So können wir in einer freien Gesellschaft getrennte Wege gehen, ohne Respekt füreinander zu verlieren.


Mit freundlichen Grüßen

JM

 

>>> Boris Berger <boris.berger@gmx.de> 30.03.15 15.01 Uhr >>>


Sehr geehrter Herr Professor Mackow,

nach Lektüre Ihres Textes, aufgrund der Email von ... [ihrem Mitarbeiter] und interner Rücksprache mit dem Präsidenten [der Akademie Bodo Hombach] muss ich Ihnen mitteilen, dass wir als Bonner Akademie Ihre Publikation nicht weiter unterstützen werden. Wir sind nicht bereit, solche Texte, die politisch sehr einseitig, wissenschaftlich zumindest leicht angreifbar und sprachlich oftmals zu drastisch sind, unter dem Logo der Bonner Akademie zu veröffentlichen.

All unsere Versuche, Sie in den letzten Wochen zu einer Veränderung Ihres Ansatzes für die Publikation zu bewegen, haben leider keine Wirkung gezeigt. Wir bedauern diesen Schritt umso mehr, als wir diesen Schritt, die Verweigerung der Publikation aus sachlichen Gründen, bisher noch nicht hatten. Wir würden aber andernfalls damit das Niveau aller anderen Publikationen, die wir bisher in den letzten dreieinhalb Jahren veröffentlicht haben, deutlich unterschreiten und uns als Bonner Akademie darüberhinaus an mehreren Stellen angreifbar machen. Dazu sind wir nicht bereit.

Der von .. [Ihrem Mitarbeiter] übermittelte Vorschlag, wir sollten nur Bilder veröffentlichen mit dem Hinweis, wir hätten Ihren Text nicht veröffentlichen wollen und nur einen Bildband gewünscht, ist schlichtweg falsch. Zumal für den Außenstehenden die eigentliche Projektarbeit dann nicht mehr nachvollziehbar ist; das aber ist ja der eigentliche Sinn der Abschlusspublikation. Und es macht aus unserer Sicht schlichtweg keinen Sinn, irgendwelche Fotos mit einem Kommentar zu versehen, andere nicht, zumal wir ja immer wieder befürchten müssten, dass diese Kommentare den gleichen Inhalt hätten wie der Langtext.

So wenig wie wir uns zum Sprachrohr einseitig pro-russischer Positionen machen würden, werden wir uns zum Sprachrohr solcher einseitig Russland-feindlicher Positionen machen. Ich hatte Sie bereits mehrfach auf den sehr grenzwertigen Duktus Ihrer Emails in Bezug auf die angedachte Publikation hingewiesen und Sie mehrfach gebeten, diesen Duktus dort sowohl im Inhalt wie in der Sprache aufzugeben, da wir dies andernfalls nicht veröffentlichen könnten. Sie Zeller hatten darauf angesprochen, mehrfach "Mäßigung"zugesagt. Ich bedaure, dass Sie dazu offenkundig nicht in der Lage sind.

Ich gehe davon aus, dass Sie uns nun sehr zeitnah die noch in Ihrer Verfügung befindliche Restsumme der Projektsumme zurückerstatten werden, da diese Gelder ja vereinbarungsgemäß für die Abschlusspublikation Ihnen zugeteilt wurden und jetzt nicht dafür verwendet werden.

Mit freundlichen Grüßen,
Boris Berger

Sehr geehrter Herr ...,

ich war in die Vorbereitung der Abschlusspublikation von Prof. Maćków involviert und er bat mich darum, auf Ihre letzte Email an ihn, in der Sie die Länge der Publikation bemängeln, zu antworten. Dieses Problem lässt sich leicht lösen.

Dadurch, dass der Textteil der Publikation der schriftlichen Längenvorgabe von 60 bis 70 Seiten von Herrn Dr. Berger entspricht und in diesem bewusst kein Bezug auf den Bilderteil genommen wurde, kann dieser auch einzeln veröffentlicht werden.  Auch wenn Prof. Maćków es sehr bedauern würde, wäre er damit einverstanden. Die von Ihnen vorgeschlagenen Kürzungen (OT Prof. Dr. Maćków: „completely insane“) wären somit hinfällig. Wenn erwünscht, kann Prof. Maćków noch eine Quellen- und Literaturliste erstellen. Möglich wäre auch die Einfügung des gesamten wissenschaftlichen Apparates. All diese Ergänzungen würden keine Überschreitung der Längenvorgabe nach sich ziehen.

Falls die BAPP den bestehenden Textteil nicht veröffentlichen möchte, wäre Prof. Maćków unter Umständen dazu bereit, für die Abschlusspublikation den Bilderteil anzubieten. Auch dieser überschreitet die ungefähre Längenvorgabe nicht. Dazu müsste Prof. Maćków allerdings noch vereinzelt Kommentare zu den Fotos ergänzen. Den Bildern müsste eine Karte der Ukraine vorangestellt werden. Darüber hinaus bestünde Prof. Maćków auf einen Vermerk der BAPP in der Veröffentlichung, der ausdrücklich darauf hinweist, dass die BAPP den Autor gebeten habe, einen Bilderband zu erstellen.

In jeder Variante käme ein knapp gehaltenes (maximal eine Seite) Vorwort hinzu. Copyrights für die Fotos würden beim Autor bleiben. Die Druckfahnen würden ihm zur Überprüfung vor der Veröffentlichung zugeschickt werden.

Bitte teilen Sie mir die Entscheidung der BAPP möglichst vor Ostern mit, da ich mich nach Semesterbeginn intensiv meiner Masterarbeit widmen muss und vorher mit dem Forschungsprojekt abgeschlossen haben möchte.

Mit freundlichen Grüßen

08.03.2015

Platzek bei Jauch am 8.3.15

Abschließender Kommentar zur gerade beendeten heutigen Jauch-Sendung: Es ist schon erstaunlich, dass es ausgerechnet in Deutschland so viel Verwunderung über die überschwängliche Popularität Putins in seinem Land gibt. Diese Verwunderung zeugt davon, dass diejenigen, die die "Geschichtsbewältigung" nicht für möglich halten, wahrscheinlich  Recht haben. Die meisten Deutschen sollten doch eigentlich wissen, dass ein Verbrecher von der überwiegenden Mehrheit des Volkes geliebt oder zumindest unterstützt sein kann. Diesbezüglich hat die "Geschichtsbewältigung" die Menschen hierzulande nicht gerade klug gemacht, was nicht zuletzt das Niveau der deutschen Talkshows-Runden zur Ukraine-Krise immer wieder aufs Neue zeigt. In der Tat könnte es sein, dass ohne diese "Bewältigung" die Deutschen politisch in dieser Frage "noch weniger klug" wären. Schwacher Trost. Und noch im Duktus von Cato: Der ehemalige Vorsitzende einer großen deutschen Partei ist mit seiner öffentlichen Unterstützung des Aggressors und Respektlosigkeit gegenüber dem Angegriffenen eine Schande für Deutschland.

25.01.2015

Girkin/Strelkow spricht über die Krim

In einem gerade erschienenen Interview berichtet der "Held" der russischen Aggression in Donbass, der frühere KGB-Oberst und im Jahre 2014 Kämpfer für "Neu-Russland" über seinen Einsatz auf der Krim. Er war dort seit dem 21. Februar, was die Interpretation nahe legt, dass die Entscheidung über den Angriff auf die Ukraine auf dem Kreml bereits während der Ereignisse des Kiewer Majdans getroffen worden ist. Über die Besetzung der Krim sagt Girkin, der dabei eine aktive Rolle spielte, dass weder die lokale Polizei noch die Abgeordneten des lokalen Parlaments noch die dort stationierte ukrainische Armee von sich aus den Anschluss an Russland unterstützten. Er selbst habe beispielsweise die Abgeordneten dazu getrieben (sie dazu - in seinen Worten - "gezwungen"), für den Beitritt zur Russländischen Föderation zu stimmen. Ausschlaggebend für die Annexion der Halbinsel an Russland wäre die Anwesenheit der russischen Armee dort gewesen. Wäre nach diesem Muster der militärischen Intervention auch anderswo in der Ukraine vorgegangen, so Girkin, - in Donezk, Lugansk, Charkiw, Odessa -, dann wäre das Ergebnis der russischen Aggression so wie auf der Krim.
Grikin spricht über den Krim-Anschluss an Russland

Steinmeier spricht mit Lawrow ...

Mariupol liegt auf dem Weg von den durch Russland kontrollierten Gebieten der Ukraine zur Krim (60 km von der russischen Grenze entfernt). Seit Wochen wird über die Aufstockung der russischen Truppen in den "Volksrepubliken" berichtet. Zugleich werden bei uns Stimmen immer lauter, dass Sanktionen gegen Russland geschwächt werden sollen. Steinmeier führt sinnlose Gespräche mit seinem russischen Kollegen Lawrow. Währenddessen griff der Kreml gestern zu. Das unten gepostete Video aus Mariupol, einer friedlichen Stadt, die plötzlich beschossen wurde, dürfen nicht von Menschen gesehen werden, die Gewaltszenen nicht vertragen.

https://www.youtube.com/watch?v=YFDFAngLzhI&index=2&list=PLmfQLqUUUOZ3noGvoMqLH-miQ7gNYLdm2