16.04.2021

Trumpismus in Deutschland?


 

 

„Trumpismus“ wurde gestern bei Markus Lanz der Erfolg von Markus Söder genannt, der bei einer Fraktionssitzung der CDU Armin Laschet herausgefordert hatte. Die Abgeordneten der CDU hätten ihren vor Kurzem gewählten Parteichef und gerade als Kanzlerkandidaten nominierten Vorsitzenden verraten und den charakter- und prinzipienlosen, ausschließlich machtorientierten Bayer unterstützt, weil sie im Falle der Niederlage von Laschet um ihre Mandate fürchteten, so unisono der Moderator und ein von ihm eingeladener SPIEGEL-Journalist.

Ziemlich verlogen oder oberflächlich diese Argumentation. Vielleicht haben aber die Herren bereits begonnen, Söder zu demontieren, weil sie auf einen grünen Kanzler hoffen? 

Verlogen ist die Empörung über die moralische Qualität des bayerischen Ministerpräsidenten und der CDU-Abgeordenten. Söder hat nicht weniger Charakter und Prinzipien als die politische Ikone der deutschen Medien, die „Anführerin der freien Welt", die nach Worten eines bayerischen Putin-Verstehers Ramsauer bei der geschmacklosen Veranstaltung im Bundestag schweigend zuschaute, wie der von ihr noch vor Wochen unterstützte Laschet demontiert werde, als würde sie hoffen, dass der ausgebrochene Konflikt dazu führen könnte, dass sie gebeten werden würde, weiter zu machen. Was die Abgeordneten der ehemals christlich-demokratischen Partei angeht, so braucht man beileibe keine Sitzung mit Söder, um zu wissen, dass die meisten von ihnen seit – sagen wir so – anderthalb Jahrzehnte nicht den Idealen Konrad Adenauers, sondern dem Opportunismus huldigen.

Aber diese Fragen sind unwichtig. In Politik zählen die Tatsachen, nicht Wahrnehmungen oder angebliche Empörung der Meinungsmacher. Insofern ist die erwähnte Oberflächlichkeit der Herren Journalisten wichtiger.

Deutschland hat nicht deshalb gravierende Probleme mit Demokratie, eine katastrophale Regierung und die feste Aussicht auf eine noch schlechtere Führung, weil hierzulande der „Trumpismus“ triumphiert (in diesem Land gibt es keinen einzigen Politiker, der außerhalb der Politik richtig erfolgreich gewesen war, bevor er Regierungschef wurde). Nein. Die deutsche Demokratie ist krank, weil jene politischen Parteien, die sie einst aufgebaut haben, in eine neue Erosionsphase eingetreten sind. Mit der Ausnahme der FDP stehen sie zu nichts mehr außer Macht und Geschwafel über die schöne Welt, die vor Staubpartikeln und Atomkraft gerettet werden solle. Und das parlamentarische System kommt – im Gegensatz zum Präsidentialismus – ohne echte politische Parteien nicht auf Dauer aus.

Da weder von den Wählern samt der selbstgefälligen Zivilgesellschaft noch von den Medien samt den selbstgefälligen Journalisten noch von der gedanklich sehr schlichten Gauland-Weigel-Opposition das Aufhalten des Parteiensterbens ausgehen kann, wird die Krise der deutschen Demokratie noch lange dauern. Ob sie überhaupt überwunden werden wird oder ob auf ein nicht-demokratisches System zusteuern, ist ungewiss. Gewiss ist nur, dass wir im Herbst keine bessere Regierung bekommen werden. Und auch keinen Trump. 


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