14.12.2013

Für die schwache Ukraine fängt ein wichtiges Wochenende an

An jedem Wochenende scheint die politische Opposition in der Ukraine stark, obwohl sie in Realität auch dann schwach bleibt: nicht einheitlich, nicht stark im Volk verankert, ohne Porgramm und ohne charismatische Führung. Am Wochenende kommen aber Hundertausende neue Demonstranten auf die Kiewer Straßen - es sind die Menschen, die in der Woche arbeiten müssen.

Auch der Staatspräsident ist schwach. Besonders eben an den Wochenenden. Deshalb lässt er augenblicklich seine Anhänger aus dem Osten des Landes nach Kiew bringen. Mitten in der Woche hat er zwar etwas mehr Spielraum, weil während der Arbeitstage der Majdan schwach - "halbleer" - ist. Der Spielraum Janukowytschs ist jedoch selbst unter der Woche nicht allzu groß. Die Oligarchen stehen keineswegs geschlossen hinter ihm. Wir können zudem auf der Grundlage der bisherigen Entwicklungen vermuten, dass er sich seines Gewaltapparats nicht ganz sicher sein kann.

Die ganze Zeit bleibt die Ukraine ökonomisch schwach, sehr schwach. Diese andauernde Schwäche hängt damit zusammen, dass das Land mittlerweile seit gut zwei Jahrzehnten schmerzhafte Reformen hin zur modernen Marktwirtschaft hinauszögert. Stattdessen lehnt es sich ökonomisch an Russland, das sich jede ökonomische Gefälligkeit - de facto geht es um Subventionierung - politisch bezahlen lässt. Ohne Reformen bleibt so die Ukraine in der lähmenden Umarmung des unter Putin irrational-neoimperialistisch gewordenen "großen Bruders".

Das Volk der Ukraine ist schwach. Bloß Schlaue und Rücksichtslose profitieren vom ineffizienten System. Sie bedienen sich andauernd auf Kosten der nicht organisierten, passiven Mehrheit. Die Letzgenannten - die Untertanen - werden mit Resten abgespeist.

Das ukrainische Bürgertum ist schwach. Ihm bleibt folglich nur der Protest auf der Straße, um seine - durchaus vagen - politischen Wünsche nach einer EU-Integration zu äußern. Es versteht kaum, dass die Europäische Union sein Land zu reformieren außer Stande ist. Es denkt über die EU als wäre sie eine Art besseres Russland und könnte als solche der Ukraine Wohlstand und Freiheit bringen. In Wirklichkeit jedoch kann die EU nur sagen: Wir sind mit Euch, wir wollen Euch, reformiert Euch und dann kommt zu uns! Da die Ukraine freilich vom jedweden Reformkonsens sehr weit entfernt ist, erscheint diese Haltung der EU-Vertreter in der gegenwärtigen Krise etwas kühl und distanziert. Zumal viele EU-Spießer tatsächlich gegen die wirklich freundliche Maßnahme - die Öffnung der EU-Grenzen für die Ukrainer - sind.

Der kluge russische Analytiker, Wladimir Pastuchow, sagt angesichts dieser Gemengelage (http://www.polit.ru/article/2013/12/12/maydan/), die beste politische Entwicklungsvariante für die Ukraine bestünde darin, dass Janukowytsch an der Macht bleibt, d.h. dass sich im Lande de facto nichts ändert. Denn jede größere Änderung im fragilen politischen Gefüge des ökonomisch am Boden liegenden Landes beschwöre die Alternative herauf: Entweder "treten die Demonstranten den Majdan" ewig oder es kommt zum Blutvergießen und zur Machtübernahme durch die Opposition. Da die Opposition bekanntlich schwach ist, wird sie an der Macht aber scheitern.

Pastuchow übersieht jedoch, dass einige politsch relevante Ukrainer mittlerweile am Runden Tisch sitzen. Die Hoffnung, dass es nicht zum Blutvergießen kommt, etwa heute oder morgen, besteht deshalb in Gesprächen und in irgendeinem Kompromiss, der sich nach dem Ende der Demonstrationen für die künftige Politik des Landes gar nicht als richtungsweisend erweisen muss. Ein vorgetäuschter Runder Tisch könnte also die Eskalation zu vermeiden helfen. Anders gesagt: Der größte Erfolg dieser oft fälschlicherweise "Revolution" genannten Krise kann nur in deren akzeptablen Lösung bestehen.

Hoffentlich werden die Demonstranten an diesem Wochende den Runden Tisch nicht so nüchtern wahrnehmen.