30.12.2013

Putins Propaganda und Wolgograd

Deutschland zeigt sich wegen der überraschenden vorzeitigen Entlassung von Michail Chodorkowskij und der Amnestierung von Pussy Riot in Russland vor knapp zwei Wochen immer noch stolz. Vom Erfolg der "deutschen Geheimdiplomatie" ist die Rede, wobei die vermeintlichen Überredungskünste des für seine Putin-Liebe bekannten Publizisten und Wirtschaftslobbyisten Alexander Rahr sowie der Einsatz des ehemaligen Außenministers Hans Dietrich Genscher besonders hervorgehoben werden. Es ist eine falsche Sichtweise.

Denn die spektauläre Entwicklung geht nicht auf das Ausnutzen der eigenen Kreml-connections durch Rahr und die edlen Bemühungen Genschers, sondern einzig und alleine auf das Kalküll jenes Menschen zurück, der für die Freiheitsberaubung sowohl des ehemaligen Öl-Magnaten als auch der beiden Künstlerinnen persönlich verantwortlich ist: Wladimir Putins. Mit deren Freilassung landete er nicht nur einen Propaganda-Coup, sondern er löste darüber hinaus zwei Probleme. Zum einen konnte er verhindern, dass die Frauen von Pussy Riot nach dem "Absitzen" ihrer regulären Strafe im Februar vor die Medien treten und über die Zustände in russischen Arbeitslagern berichten würden. Diese Bilder der jungen Frauen würden ausgerechnet während der olympischen Winterspiele in Sotschi dem Image von Putin und seinem Regime nicht behilflich sein. Das Problem Chodorkowskij, dessen Strafe regulär in acht Monaten zu Ende gehen würde, bestand wiederum darin, dass er Russland nicht verlassen wollte. Deshalb hat ihn der russische Präsident mittels seiner Gesandten im Lager mit der Ankündigung erpresst, es werde einen dritten Prozess gegen ihn geben. Der ehemalige Oligarch gab daraufhin nach und stimmte seiner Ausreise aus Russland zu.

All diese Fakten sind allgemein bekannt. Warum wird also bei uns am Mythos der "erfolgreichen Geheimdiplomatie" gebastelt? Warum wird der Eindruck erweckt, dass die im Auftrag Putins arbeitenden Deutschen bzw. die gut meinenden (d.h. seit Jahren zu Recht den Fall Chodorkowskij anmahnenden) Deutschen hätten Einfluss auf die Entscheidung des Kreml-Herren gehabt? Die Antwort ist sehr einfach: Es liegt im Interesse dieser Menschen, diesen Eindruck zu pflegen. Der Rest sind die nationalen Gefühle.

Wie sich alle - in Deutschland und in Russland und woanders - auch anstrengen mögen, die Erfolge der Kreml-Propaganda sind nach Terroranschlägen in Wolgograd allerdings passe.