Der Vorwurf steht im Raum, die Auseinandersetzung zwischen Trump und Zelensky im Oval Office am 28. Februar sei von den Amerikanern inszeniert worden, weil Trump russländische Interessen vertreten würde. Dumme Leute sehen in diesem Eklat ihre Behauptung bestätigt, dass Trump ein russländischer Agent sei. Zur Analyse des Vorfalls reicht jedoch nicht aus, das in Medien oft verbreitete Acht-Minuten-Video zu betrachten. Die Dynamik der Situation kann man nur dann erfassen, wenn man sich die Aufnahme des gesamten Treffens anschaut (ca. 50 Min.). Dabei sollte man notfalls etwas nachlesen. Das betrifft nicht zuletzt die Informationen über die Minsk-Abkommen, über die so gut wie niemand etwas in Deutschland Bescheid weiß, obwohl Berlin diese Vereinbarungen verantwortete.
Zelensky sollte mit Trump ein Abkommen über ukrainische Bodenschätze, um das Kyjiw und Washington wochenlang gerungen hatten, unterzeichnen. Der amerikanische Sondergesandte Kellogg, der in Kyjiw die Verhandlungen in dieser Sache geführt hatte, sagte nach dem Eklat, dass er dem ukrainischen Präsidenten davor abriet, vor der Unterzeichnung des Abkommens am Treffen mit Medien im Oval Office teilzunehmen.
Zelensky wollte aber einerseits die amerikanischen Garantien für die Ukraine öffentlich ansprechen, die die USA der Ukraine auch unter Biden nicht geben wollten (keine Aufnahme in die NATO in absehbarer Zeit). Andererseits wollte er öffentlich Trump vor Putin warnen, weil Putin die mit der Ukraine unterzeichneten Vereinbarungen mehrfach verworfen hatte. Aber die amerikanische Administration will selbstverständlich nicht als eine Macht gesehen werden, die mit Russland aus der gleichen Position wie die Ukraine verhandelt. Wenn man diese konträren Erwartungen an das Treffen mit Medien zur Kenntnis nimmt, wird es klar, dass die Situation eskalieren musste, sobald Zelensky vor dem amerikanischen Präsidenten so sprach, als würde er eine den USA gleichwertige Großmacht vertreten.
Der ukrainische Präsident ist in seinem Land immer noch unersetzbar. Daran ändert die Vorliebe, mit der er auf internationaler Bühne über seine Kräfte spielt, nichts. Das Problem ist jedoch, dass er seine Grenzüberschreitungen offenbar nicht zu merken imstande ist. Bereits Mitte Juni 2022 bemerkte Biden süffisant, dass das Wort "Danke" als Zelenskys Antwort auf ein amerikanisches Hiflspacket nicht fehl am Platz gewesen wäre. Es sei auch daran erinnert, dass der Ukrainer 2023 im Zuge eines Interessenkonflikts mit polnischen Bauern Warschau öffentlich vorwarf, für Russland zu arbeiten. Diese Frechheit gegenüber einem Volk, das der Ukraine zu Beginn des Krieges mehrere hundert Panzer und Kampffahrzeuge schenkte, das zentrale Hub für die Versorgung der Ukraine darstellt, von Millionen Flüchtlingen, die versorgt wurden, ganz zu schweigen, konnte er sich vielleicht leisten. Denn die Ukrainer kämpfen dafür, dass Russlands Truppen nicht an der polnischen Grenze stehen. Die Amerikaner sind aber in einer ganz anderen Lage.
Zelensky handelt oft unprofessionell, indem er die Kraft der Worte überschätzt, während er Realität missachtet. Er scheint nicht zu wissen, dass die neue amerikanische Administration mit dem Rohstoffabkommen sein Land, von dem die USA glauben, es zu nichts zu brauchen (bereits Obama sagte 2015, dass Amerika kaum Interessen in der Ukraine hat) an sich binden will. Als Zelensky im Oval Office Trump und Vance darüber zu belehren versuchte, welche Bedrohung seitens Russlands sie in Zukunft "fühlen" werden, brachte er den amerikanischen Präsidenten auf die Palme.
Denn die Realität ist: Ukraine wird ohne massivste Unterstützung aus dem Westen weder militärisch noch wirtschaftlich überleben. Die eigene Kraft der Ukraine stellen so gut wie ausschließlich ihre Menschen dar, die ohne den Westen kaum Ausrüstung hätten. Diese Soldaten gehen der Ukraine aus, woran Vance Zelensky erinnern musste. That's all.
Aber zur Realität gehört auch das moralische Potenzial des von russländischen und nordkoreanischen Banditen überfallenen Volkes. Dieses riesige Potenzial verspielt Zelensky nun recht schnell. Da helfen ihm selbst die deutschen Medien nicht, die immer bereit sind, seine groben Fehler zu übersehen, wenn sie nur über Trump herziehen können. Deshalb wollen sie den Streit im Oval Office als üble amerikanische Inszenierung sehen.
Was weiter?
Kyjiw muss einen Weg der Entschuldigung finden - und dann hoffen, dass die USA die Ukraine in dem von ihnen gewollten Maß weiter unterstützen werden. Kyjiw kann nicht Europa gegen die USA ausspielen, worauf Zelensky in den vergangenen Wochen offenbar setzte. Kyjiw ist zu schwach dafür, als ein selbstständiger Akteur Weltpolitik zu machen. Gegen diese banale Feststellung hilft auch kein Realitätsverlust.
Immerhin hat die Ukraine immer noch die Unterstützung im Westen. In Europa gibt es Länder, die die unabhängige Ukraine brauchen. Sie handeln aber oft so, als wüßten sie es nicht. Je deutlicher die USA Kyjiw auf seinen Platz verweisen, desto größer die Chance, dass die Europäer sich ihres eigenen Verstandes bedienen werden.