19.09.2017

Populismus ist vom Extremismus zu unterscheiden

Dank der Vermittlung Boris Reitschusters ist es mir ausgerechnet in der letzten Phase des Wahlkampfes gelungen, diesen Kommentar doch noch zu veröffentlichen:
Populismus ist nicht Extremismus

05.08.2017

Knapp zum deutsch-polnischen Verhältnis

Die Kopernikus-Gruppe, ein deutsch-polnisches Diskussionsforum, das beträchtlichen Anteil am bisherigen harmonischen Narrativ des deutsche-polnischen Verhältnisses hat, findet die Gründe für dessen Verschlechterung nicht in "objektiven Bedingungen", sondern in der Politik der PiS: "An den objektiven Bedingungen der Partnerschaft habe sich nichts geändert: [an der] geografischen Lage der Nachbarn, [an der] strategischen  Bedeutung als Wirtschaftspartner, [an den] Sicherheitsinteressen [beider Länder]." 

Es stimmt aber nicht, dass die Sicherheitsinteressen Deutschlands und Polens je gleich gelagert gewesen waren. Im Verhältnis zu Russland sind sie von jeher unterschiedlich. Deutschland wird von Russland nicht bedroht  und nimmt sich als sicher wahr, das gilt für Polen so nicht. Die deutschen und die polnischen Interessen gegenüber Russland sind deshalb unterschiedlich. Sie wirksam zu koordinieren ist nur im Rahmen einer föderalen Struktur - der EU - möglich.

Die heutige Entfernung beider Staaten voneinander geht in diesem Zusammenhang auf die unzähligen Fehler und Auslassungen im beiderseitigen Verhältnis zurück, die eine endgültig abgeschlossene Periode kennzeichneten, in der man auf beiden Seiten den besagten gewichtigen Unterschied auszublenden versuchte. Diese Ausblendung half dabei, die zweifellos auf vielen Feldern vorhandene "deutsch-polnische Interessengemeinschaft"  zur heilen Welt zu stilisieren. Die Eliten Polens hatten übrigens den Traum von der heilen Welt aus Deutschland importiert. Ihrer Fähigkeit, eigene Interessen wahrzunehmen, hat es nicht unbedingt geholfen. Wenn ein schwächerer und ein  stärkerer Partner unter gleicher Wahrnehmungsschwäche leiden, kommt der Stärkere mit dieser Krankheit besser zu Recht.

19.03.2017

Kurz zu Flüchtlingen, Integration und Assimilation




Schon interessant: Einerseits wird massenhaft darüber berichtet, dass türkische Politiker, die für eine autoritär anmutende Verfassung unter ihren in Deutschland lebenden Landsleuten werben wollen, Auftrittsverbote erhalten, zuweilen aus fadenscheinigen Gründen. Andererseits aber wird massenhaft kritisiert, dass viele Länder der EU nicht moslemische Flüchtlinge aufnehmen (die übrigens in diese Länder überhaupt nicht gehen wollen). Warum sollen diese Länder es tun? Um eines Tages Auftrittsverbote, zuweilen aus fadenscheinigen Gründen, für Politiker aus den Ländern der Flüchtlinge aussprechen zu müssen? 

In solche Absurditäten gelangt man, wenn man die Wirklichkeit falsch wahrnimmt oder schön redet. Integration gelingt mit Menschen des eigenen Kulturkreises. Menschen fremder Kulturkreise muss man assimilieren, d.h. ihren Kulturhintergrund wesentlich verändern (wesentlich - es geht hier gar nicht um Äußerlichkeiten wie Kleidung oder Bräuche während der Festtage). Dieser zweite Prozess dauert Generationen, wenn er überhaupt erfolgreich sein sollte. (Damit es klar ist: Im Einzelfall kann es anders gehen, ich spreche über große Gruppen).

03.02.2017

Zwischen Ratlosigkeit und Misstrauen - zum Stand der deutsch-polnischen Beziehungen

Mein Interview zum Stand der deutsch-polnischen Beziehungen für "Der Westpreuße – Unser Danzig" vom 2/2017, hier übermittelt durch Blog von Tilman Asmus Fischer, der die Fragen gestellt hatte:

https://tilmanasmusfischer.wordpress.com/2017/02/03/zwischen-ratlosigkeit-und-misstrauen/

Übrigens: In einigen Tagen kommt Frau Merkel nach Warschau. Unüberhörbar sind Signale, dass die Bundesrepublik sich damit abgefunden hat, dass die PiS in Polen an der Macht ist.

07.01.2017

Was man in Deutschland über Polen kaum erfahren kann



In Polen findet im Jahresumbruch eine beispiellose Kompromittation der politischen Opposition statt: Nicht gerade gescheit, korrupt, verlogen. Der eine Oppositionsführer fliegt mit einer Kollegin zum Neujahrsfeier nach Madera, während die restlichen Kollegen und Kolleginnen mit fadenscheiniger Begründung über Weihnachten und Neujahrstage den Plenarsaal vom Sejm besetzt halten, um die Ausbreitung des "Autoritarismus" oder "Totalitarismus" (in Polen wissen sogar einige Jura-Professoren über den Unterschied zwischen beiden nicht Bescheid) in ihrem Land zu verhindern. Ein anderer zockt die von ihm geführte Prostestbewegung auf unverschämte Art und Weise ab (90 000 PLN, d.h. ca. 20 000 € im Jahre 2016). Der bis auf die Knochen politisierte Vorsitzende des Verfassungsgerichts weigert sich trotz einer formellen Aufforderung standhaft, Urlaub zu nehmen, weil er so bei seinem Ausscheiden 150 000 PLN als Urlaubsentschädigung mitnehmen kann.

Keiner, der die politische Bühne des Landes etwas kennt, wundert sich über diese Zustände. Es ist auch klar, dass bei aller berechtigten Kritik an der polnischen Regierung die - breit begriffene - Opposition die Hauptverantwortung für die in ihrer Regierungsszeit gewachsenen Probleme des Landes trägt. Es ist darüber hinaus erkennbar, dass augenblicklich zum ersten Mal nach 1989 eine polnische Regierung ihre Wahlversprechen tatsächlich einlöst - was man von diesen Maßnahmen auch halten mag, einige sind zweifellos kritikwürdig. Unübersehbar ist schließlich, dass die politische Opposition an der Eskalation der Lage auf der Straße und in der EU interessiert ist, weil sie sich mit ihrer Rolle der parlamentarischen Opposition nicht abfinden will. Last but not liest: Polen ist unter der PiS-Regierung kein autoritäres Land geworden. Vielmehr ist die Opposition sichtbarer und einflussreicher als in Deutschland, wo sie unter Dauerregierung der Großen Koalition längst aus dem politischen Geschäft verdrängt worden ist, woran sich die Medien und Öffentlichkeit gewöhnt haben.

Obwohl Polen ein freies Land, vielleicht sogar zu frei, bleibt, sind Zweifel an der Qualität der polnischen Demokratie angebracht. Sie ist hässlich und institutionell wie auch hinsichtlich der politischen Kultur der Eliten nur sehr schwach verankert. Politische Parteien sind opportunistisch, politische Klasse ist egoistisch und pekuniär eingestellt, auch andere Eliten des Landes sind oft inkomptent, zynisch und geldgierig, Gerichte und Richter arbeiten oft schlecht, Zeitungen und Sender sind längst beinahe ausnahmslos zu Propagandaeinrichtungen politischer Kampflager verkommen und sie stehen so in bester Tradition des letzten kommunistischen Hautpropagandisten, Jerzy Urban. Entsprechend ist der öffentliche Diskurs des Landes unsachlich und geradezu kriegerisch.

All diese Systemschwächen wurden unter und von der früheren Regierung acht Jahre lang geradezu gepflegt, aber sie waren, wenngleich nur anasatzweise, noch früher aufgekommen, in den neunziger Jahren, in der Zeit also, in der die polnische Transformation vor allem ihre Erfolge zeitigte. Die heutige Regierung versucht zwar gerade, eine Wende herbeizuführen, doch das politische Lager, von dem sie getragen wird, ist teils von gleichen Krankheiten befallen wie jene politischen Versager, die polnische Demokratie zum heutigen Zustand geführt haben...

Über all das kann man in den deutschen Zeitungen so gut wie nichts lesen, während im englischsprachigen Raum über die Selbstzerstörung von Ryszard Petru (in deutschen Medien als "Oppositionsführer" bereits beinahe gefeiert) und Mateusz Kijowski (korrupter Leader des "Komitees für die Verteidigung der Demokratie", mit dem in Deutschland auch mehrere Interviews geführt worden sind) durchaus berichtet wird.

Deutsche Medien bekleckern sich in ihrer Polen-Berichterstattung seit Langem nicht mit Ruhm. Das von ihnen nun kreierte Bild Polens, in dem Jarosław Kaczynski die polnische Demokratie zerstört, während die mutige Opposition für die Freiheit kämpt, weicht erheblich von der Wirklichkeit ab. Manche würden sogar sagen: Es hat mit der Wirklichkeit nichts zu tun.