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25.01.2022

Ist Deutschland noch im Westen verankert?


Da von "Die Welt" wortlos abgelehnt, hier und bei Reitschuster.de veröffentlicht:


Im Kalten Krieg war in der Bundesrepublik ein schwieriges, fremdsprachig anmutendes Wort erstaunlich gut bekannt: „Äquidistanz“. Es bedeutet so etwas wie „der gleiche Abstand“. Die Westdeutschen benutzten es oft, um zu bekräftigen, dass ihr Staat niemals die „Äquidistanz“ im Verhältnis zum Kreml und zum Weißen Haus anstreben wird.

Dabei versuchte Moskau in den letzten Jahren Stalins, das demokratische Deutschland mit dem Versprechen der Wiedervereinigung vom Westen zu lösen. Später trachtete der Kreml danach, die Westbindung der Bundesrepublik mit den Vorteilen der engen, nicht zuletzt wirtschaftlichen Zusammenarbeit (Gaslieferungen!) zu lockern. Trotz aller Schwankungen, für die besonders die SPD anfällig war, begriffen damals die meisten Westdeutschen, dass der Kreml sie als nützliche Idioten instrumentalisieren wollte, um die USA aus Europa zu verdrängen. Deshalb reagierte das „beste Deutschland aller Zeiten“, das von seiner Westbindung extrem profitierte, auf die sowjetischen Verlockungen stets mit dem Ruf: „Keine Äquidistanz! Wir sind fest im Westen verankert!“

Die meisten Europäer, von den Amerikanern ganz zu schweigen, hörten das gern. Hatte man nicht früher in Deutschland immer wieder die Meinung vernommen, dem Land würde es am besten gehen, wenn es mit Russland einen Ausgleich findet, sei es auf Kosten anderer? Waren Preußen und Deutschland mit dieser Ansicht nicht gut gefahren? Die Allianz des „Großen Fritz“ mit Russland in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts beim Raub am polnischen Staat hatte doch große Beute erbracht: es seien nur Danzig und Großpolen mit Posen erwähnt. Die alles in allem russlandfreundliche Ära Bismarck war in die deutsche Geschichte als die Zeit des zunehmenden Wohlstands und der Stärke eingegangen. Den Amerikanern konnte zudem nicht entgangen sein, dass das mit Moskau zusammenarbeitende Deutschland, etwa in der Weimarer Republik oder in der Zeit des Hitler-Stalin-Paktes, antiamerikanisch eingestellt gewesen war. Vor diesem historischen Hintergrund stellte der atlantisch, westlich ausgerichtete deutsche Staat eine Art willkommenes Wunder dar.

Obwohl sich die aufmerksamen Beobachter über die erste Nord Stream-Pipeline und die legere Instrumentalisierung des Antiamerikanismus im Wahlkampf durch Gerhard Schröder wunderten, schien die Wiedervereinigung die Westbindung der Bundesrepublik nicht tangiert zu haben. George W. Bush bot deshalb dem von Angela Merkel angeführten Deutschland das „partnership in leadership“ an.

Mit dem kontinuierlichen Aufstieg Chinas und der Schwächung der USA testete sich die Bundesrepublik zwar immer unbefangener als die „Führungsmacht“ der EU, jedoch immer weniger als der Partner der USA. Es ignorierte das Unverständnis der Vereinigten Staaten für die sträfliche Unterfinanzierung der Bundeswehr, die amerikanische Kritik an Nord Stream 2, den Ärger des Weißen Hauses über das Handelsabkommen mit China und Washingtons Verwunderung über die eklatante Missachtung der vitalsten Sicherheitsinteressen der Ukraine nach dem russländischen Überfall im Jahre 2014.

So kam es dazu, dass sich die inzwischen vor allem im Westpazifik engagierten Amerikaner daran gewöhnten, dass Berlin unter Angela Merkel auch ohne den nennenswerten Druck aus Russland die Verwirklichung des alten Moskauer Traumes von der Schwächung des amerikanischen Präsenz in Europa beförderte. Diese Schwächung trug wiederum zum anmaßenden Auftreten des Kreml-Regimes entscheidend bei, das innenpolitisch nicht vor Diebstahl, Lügen und Mord zurückscheut, und außenpolitisch nun von den Amerikanern die Demontage der NATO in Europa fordert, dem Minsker Satrapen beim Angriff auf die EU-Grenze den Rücken freihält und der Ukraine unumwunden mit dem Krieg droht…

Wie verhält sich die Ampel-Regierung in dieser bedrohlichen Lage?

Ganz auf den Spuren der Regierung Merkel schließt sie vorab sowohl den Verzicht auf Nord Stream 2 als auch den Waffenverkauf an die Ukraine aus. Vielmehr will sie zwischen Russland und der Ukraine vermitteln. Das läuft auf die Vermittlung zwischen Russland und den USA hinaus, die den Westen hinter der Drohung vereint sehen wollen, Russland werde im Falle des Überfalls auf die Ukraine mit nie da gewesenen Sanktionen bestraft.

Im Konflikt zwischen zwei Parteien muss der Vermittler zu diesen den gleichen Abstand halten. Wie hieß noch dieses fremdsprachig anmutende Wort…?

07.05.2020

Zentralismus und Pandemie

In der Pandemie-Situation scheinen sich zentralisierte Staaten am besten zu bewähren. Dazu gehört auch Deutschland, dessen zentralistischer Föderalismus häufig provokativ als ein "verkappter Unitarismus" bezeichnet wird. Deutschland ist ein föderaler Staat, dessen Bevölkerung dem Unitarismus huldigt. In normalen Zeiten führt das zum Übergewicht des Bundes, der die wunderbare, freiheitliche Vielfalt des Landes erdrückt. In der Pandemie macht dieses Übergewicht es aber möglich, dass die Länder ihre Handlungen freiwillig koordinieren. Auch ein schwacher, de facto der Macht beraubte Kanzler bekommt dann seine - in diesem Fall ihre - Chance. Die Regierungschefin, die nichts vertritt und zu nichts steht, wird dann plötzlich zum idealen Kanzler der Pandemie. Denn sie wird gebraucht, damit sie vermittelt, vereinheitlicht, koordiniert. Sie hat zumindest ein Jahrzehnt lang gezeigt, dass sie gleichsam von ihrem Naturell zu nichts Anderem fähig ist.
Das Gegenpol zum deutschen zentralisierten Föderalismus bildet der amerikanische Föderalismus, der sich durch eine echte Vielfalt und die stark begrenzte Macht des Bundes auszeichnet (eine sozialdarwinistische Mentalität der Bevölkerung kommt hinzu). Mit einem das Land polarisierenden und nicht gerade gescheiten Präsidenten versagt dieses System in den Zeiten der Pandemie gänzlich. Während in Deutschland sogar das klägliche intellektuelle, personelle und politische Desaster der Bundesregierung in den ersten Wochen der Pandemie auf dem Weg der Maßnahmenkoordinierung scheinbar problemlos behoben werden konnte, rutschten die USA in eine tragische Lage ab, in der die Macht der Bundesstaaten ausufert und koordinierte Maßnahmen des Bundes nicht möglich sind. Horrende Todeszellen sind dann die Folgen (auch Arbeitslosigkeit ist unglaublich hoch, gerade für die USA: 35 Mln von 130 Mln der arbeitenden Bevölkerung!). Für den Virus, der bekanntlich nicht auf die territorialen Grenzen achtet, ist das eine wunderbare Chance.
Damit korrigiere ich leicht meine Einschätzung von früher, da ich behauptete, der Unitarismus sei besser als der Föderalismus für die Bekämpfung der Pandemie geeignet. Es muss nicht der Unitarismus (wie bei den neuen EU-Staaten, in denen er in den Zeiten der Pandemie sogar viel besser als der deutsche zentralisierte Föderalismus funktioniert) sein, Hauptsache - der Zentralismus.

10.05.2011

Nach der Finanzkrise: Es lebe die Marktwirtschaft!

Unvoreingenommene Deutsche geben normalerweise freimütig zu, dass sie – falls sie die USA zum ersten Mal besucht haben – von den netten Umgangsformen hinter dem großen Wasser sehr beeindruckt sind. Nun ändert der in Deutschland zuweilen schmerzhaft vermisste Schlief der alten guten Kinderstube nichts daran, dass auch die sonst so netten Amerikaner zu einem bitteren Zynismus imstande sind. An den Wolkenkratzern der Wall Street wurden 2008 Aufrufe an die Bankmanager und Börsianer – „Jump!“ – gehängt.
Anders als während der Großen Weltwirtschaftskrise der späten zwanziger Jahre, als sich viele über Nacht Verarmte ohne Aufforderung für den Sprungfreitod entschieden haben, bestochen in den vergangenen zwei Krisenjahren zwar die New Yorker Straßen nicht durch besondere Sauberkeit, sie bedürften jedoch immerhin nicht Spezialreinigung. Allein das signalisierte, dass sich die  Finanzkrise auf einem viel höheren Wohlstands- und Sicherheitsniveau als vor neunzig Jahren abspielte.
Noch sauberer blieben allerdings die Straßen in den deutschen Bankenvierteln. Entsprechend hielten sich hier die zynischen Ausfälle gegen die einheimischen Versager mit millionenschwerem Grundeinkommen in Grenzen. Mehr noch: Zunächst galt es in Deutschland sogar als ausgemacht, dass an der Finanzkrise „Amerika“ die Schuld trug. Die „typisch kapitalistisch-amerikanische“ Gier wurde deshalb nicht zuletzt von vielen Vertretern der politischen Klasse der gern geglaubten Solidität der deutschen Bankgeschäfte entgegengehalten. Die Nachrichten über die biederen einheimischen Großspekulanten und sogar Kommunen, die in ihrer gierigen „Weltoffenheit“ ihre Kanalisationssysteme ausgerechnet an die nun als böse geltenden amerikanischen Banken verpfändet hatten, machten freilich Runde. Die nationale Soße, mit der die hiesige Krisendiskussion zunächst reichlich begossen worden war, roch seitdem etwas übel. Dazu trugen auch einige in ihrer Obszönität kaum zu übertreffende Metapher bei, ohne die mittlerweile offenbar keine öffentliche Diskussion hierzulande auskommt: Es gäbe „Pogromstimmung“ gegen Bankleute, die hier wie früher Juden behandelt sein würden, behaupteten ausgerechnet einige Bankleute. Wenn also doch nicht die Amerikaner  an der Krise Schuld waren, dann hätte es – und hier wurde an eine andere  politische Tradition angeknüpft – das „kapitalistische“ System gewesen sein müssen. In dieser Einschätzung – und in der Neigung zur Hysterie – unterschieden sich aber erstaunlicherweise die USA und Deutschland nicht mehr voneinander. Die deutsche Hysterie musste trotzdem mehr verwundern, weil sich hier die Folgen der Finanzkrise schon sehr in Grenzen hielten. Zudem wollte man in Deutschland die Tatsache nicht zur Kenntnis nehmen, dass die rapide gestiegene Staatsverschuldung weniger dramatisch ausgefallen worden wäre, wenn die im Lande seinerzeit so geliebte Große Koalition um Merkel und Steinmeier die glänzende Weltwirtschaftskonjunktur der Vorkrisenjahre nicht verschwendet hätte. Dem amerikanischen Mittelstand setzte dagegen insbesondere die große Immobilienkrise unerträglich zu. Den von der Krise am meisten betroffenen Amerikanern fiel es nicht leicht, sich gegen die Kenntnisnahme der Tatsache zu stemmen, dass sie in der Vergangenheit von billigen – weil faulen – Krediten durchaus profitiert hatten. Sie verdrängten offenbar auch die Tatsache, dass sie selbst zwei Mal nacheinander George W. Bush zu ihrem Präsidenten gewählt hatten, den sie dann mir Vorliebe für alles Negative verantwortlich gemacht haben.
Weder die Deutschen noch die Amerikaner wollten sich damit abfinden, dass die Finanzkrise eine notwendige und gesunde Reaktion der globalen Märkte auf verantwortungsloses menschliches Handeln darstellte. Dabei hatte der Markt bloß den Dreck gereinigt, den die Menschen produziert haben. Versagt hatten dabei aber nicht nur die Bankleute, die in vielerlei Hinsicht ihre Gesellschaften lediglich widerspiegeln: von sich selbst bis zur Lächerlichkeit überzeugt, ohne jegliches Verständnis für gesellschaftliche Zusammenhänge und mit einem völlig unbegründeten Anspruch an einen überdurchschnittlichen Wohlstand. Versagt hatten auch die Politiker, denen das Gemeinwohl weniger wichtig war als Wiederwahl. Selbstverständlich sind auch jene aufgeblasen auftretenden Wirtschaftsexperten als eklatante Versager zu erwähnen, die immer die Medien stürmen und – besonders in Deutschland – für ihre Fehldiagnosen und Blindheit doch seit langem bekannt sind (erinnern wir uns an ihre Einschätzungen der ökonomischen Leistungsfähigkeit der DDR und der Kosten der Wiedervereinigung). Schließlich zeigte sich wie in allen Nationen die breite Öffentlichkeit nach wie vor für nationale Selbstgefälligkeit anfällig, was von politischen Eliten in westlichen Demokratien bekanntlich stets schamlos ausgenutzt wird.
Es lebe der Markt!
Nur in so einem Klima war es möglich, dass sogar im „kapitalistischen Amerika“scheinbar alle für massive Interventionen des Staates eintraten, von den EU-Ländern ganz zus schweigen. Auch über den deutschen Wolken schien der Retter Obama zu strahlen.
Mittlerweile ist der in der Krise schier allgemeine Glaube an den amerikanischen Präsidenten dem alten-neuen  Glauben an die gute alte Marktwirtschaft mit ihrem Nachfrage-Angebot-Gesetz gewichen. Heute wird wieder auf beiden Ufern des großen Wassers auf Wachstumsstärke und Gewinne gesetzt. Hat sich aber dadurch etwas verändert? Nein. Die westlichen Gesellschaften glauben nach wie vor. An alles, was ihnen augenblicklich so einfällt - nur nicht an Gott.