08.01.2012

Nicht nur Christian Wulff ist das Problem, sondern auch das Amt des Bundespräsidenten

Nicht das Darlehen und der Kredit des Christian Wulff und auch nicht seine Telefonate mit einigen Verantwortlichen für das Durchschnittsniveau des Journalismus in diesem Lande sind das Hauptproblem der Wulff-Affäre. Das eigentliche Problem stellt das Amt des Bundespräsidenten dar.

Dieses Amt gibt seinem Träger (oder - vielleicht irgendwann im diesbezüglich reaktionären Deutschland - der Trägerin) so gut wie keine Macht, so dass sich der Präsident diese erst selbst erschaffen muss, und zwar durch die Popularitätsgewinnung. Von Weizsäcker hat sich beispielsweise mit seiner Gabe, so zu reden, dass die meisten das Gefühl hatten, Gleiches wie er zu meinen, beliebt machen können. Dafür musste er das Unbehagen des Bundeskanzlers Kohl, den er übrigens am liebsten gestürzt hätte, ertragen. Von Roman Herzog ist nur eine vage Erinnerung an irgendeinen "Ruck" geblieben. Noch weniger Spuren hat Johannes Rau als Bundespräsident hinterlassen; er lebte im dunkelsten Schatten des protzigen Aufsteigers Schröder, dessen ungebendigte Machtgier den Bürgern (und dem ähnlich wie er gestrickten russischen Staatspräsidenten) offenbar sehr imponierte. Horst Köhler war wegen seiner einnehmenden Art und Selbstständigkeit im Urteil recht populär, aber er bewies unwillentlich, dass der Präsident keineswegs alles sagen darf, zumal wenn es sich um die Wahrheit handelt. Sobald er die Banalität erwähnte, Deutschland engagiere sich nicht nur wegen seiner vermeintlich grenzenlosen Freiheitsliebe militärisch in der Welt, sondern nicht zuletzt um seine Wirtschaftsinteressen zu wahren, setzte er sich der niveaulosen Kritik der für das aus historischen Gründen nicht immer überzegende Selbstverständnis dieser Republik verantwortlichen Medienkartelle aus. In dieser Lage hat ihn sogar die Bundeskanzlerin nicht in Schutz nehmen wollen - eigentlich eine grobe Illoyalität, die davon zeugte, wie wenig sie von diesem Amt, das sie so gern mit eigenen Favoriten besetzt, und von diesen Favoriten selbst hält. "Bloß keiner von außerhalb der Parteipolitik" lautete offenbar die Devise bei der Suche nach dem Nachfolger für Köhler, der Charakter bewiesen hatte, als er das Amt der Schönsprechpuppe von Kanzlers Gnaden geschmissen hatte. Daraufhin hat sich Merkel zu ihren Funktionen als Regierungs- und Parteichefin auch noch ihren neuen Präsidenten Wulff hinzugefügt, obwohl sie Joachim Gauck gewiss sehr schätzt. Gauck aber, von dem nicht bekannt ist, weshalb er sich am lachhaften Scheinwhalkamp um das Amt überhaupt beteiligt hatte, hätte auch die Unterstüztung der Opposition bekommen und wäre deshalb recht unabhängig...

Heute sollten die politischen Eliten die längst fällige Reform des Amtes fordern (es gibt in der Welt viele Beispiele für bessere Lösungen als in Deutschland), statt von Merkel zu erwarten, dass sie dessen Personal wieder im Alleingang bestimmt (es wird in diesem Zusammenhang sogar vom "Machtwort-Sprechen" geschrieben - sic!). Einfacher ist es jedoch, Ausschau nach einem Engel (im Himmel gibt es höchstwahrscheinlich keine Hypotheken-belastete Häuser) zu halten, der nach Christian Wulff dem Amt, von dem in seiner gegenwärtigen Konstitution nur Schaden ausgeht, zu einer scheinbaren Nützlichkeit verhilft.