Übermorgen Präsidentschaftswahlen in Russland. Noch niemals hatte Putin in Deutschland so eine schlechte Presse. Immerhin ein gutes Jahrzehnt hat man dem Mann in den Medien, der Politik und leider auch der Politikwissenschaft gewissermaßen gehuldigt. Nun scheint die Stimmung umzukippen. Trotz dieser neuen Nüchternheit in der Beurteilung der russländischen Führung kann man freilich von einem grundlegenden Stimmungswechsel gegenüber dem autoritären und neoimperialen Kreml nicht sprechen.
Solch ein grundlegender - nicht nur auf die Person des künftigen Präsidenten bezogener - Wandel könnte doch nur dann stattfinden, wenn in Deutschland Demokratie und Freiheit gute Zeit hätten. Da dies aktuell nicht der Fall ist, lacht man hierzulande zwar mittlerweile laut und ausgiebig über das Macho-Gehabe Putins sowie über die "Meinungsfreiheit" in Russland. Im Stillen hegt man jedoch (in der alten Tradition des politischen Zynismus, den man in Deutschland oft mit "Realpolitik" verwechselt) für Wladimir Wladimirowitsch viel Verständnis.
Deshalb wird man nach seinem Sieg am kommenden Sonntag wieder Überlegungen darüber auffrischen, wie er Russland "modernisieren" könnte, ohne es demokratisieren zu müssen. Und - auf der praktischen Ebene - wird man sich aufs Neue krampfhaft um Aufträge für deutsche Firmen im autoritär reigerten Russland bemühen.