20.03.2013

Scheinheiligkeit in der Zypern-Frage

In den heute so heiklen Diskussionen über die Zypern-Frage wird gedanklich zwischen Inhalt und Verfahren nicht getrennt. Der Inhalt - die Maßnahme der Besteuerung von privaten Bankvermögen - wäre durchaus als akzeptabel zu betrachten, wenn er in allen denjenigen Euro-Ländern  Realität geworden wäre, die für die Euro-Krise Verantwortung tragen. Es handelt sich hier in erster Linie um die Zerstörer des Stabilitätspaktes, d.h. Deutschland und Frankreich. Es geht aber selbstverständlich auch um alle Staaten, die die Maastricht-Kriterien jahrelang "bloß"verletzt hatten. Diese allgemeine Besteuerung von Bankeinlagen - die wesentlich geringfügiger als in den Planspielen der in Zypern nun temporär gescheiterten Maßnahme ausgefallen wäre - hätte sowohl eine relativ schnelle Krisenbeilegung bewirkt als auch für Gerechtigkeit gesorgt. Denn hinter dem Verletzen der Maastricht-Kriterien steht in allen betroffenen Ländern der nationale Egoismus der Eliten und die Verantwortungslosigkeit der Wähler, die sich solche und nicht andere Regierungen gewählt hatten.

Das Verfahren dagegen, das auf Zypern hätte angewendet werden sollen, war skandalös und es zog zu Recht die Wut der dortigen Bürger nach sich. Eine nicht-demokratische EU (faktisch ein Paar Regierungschefs) missbrauchte EU-Institutionen und Gremien, um einen kleinen Staat dem Ultimatum auszusetzen: Entweder die besagte ungewöhnliche Abgabe oder keine "Solidarität" seitens der Union. Als  Begründung dieser Erpressung dienten schmutzige russische Gelder (also auch die plötzliche Ablehnung des russischen Staatskapitalismus). Scheinheiliger kann man ausgerechnet in der Bundesrepublik, in deren Fußballiga der Schalke-Förderer Gazprom hofiert und der antieuropäische Northstream auch von der Bundesregierung unterstützt wird, nicht sein.

Gut, dass sich das Parlament in Zypern diesem Druck, wenn auch nur zeitweilig, nicht gebeugt hatte. Schlimm, dass niemand in diesem Zusammenhang über die EU-Demokratisierung spricht, die notwendig ist, damit auch solche schwierige europäische Entscheidungen im legitimen Verfahren getroffen und implementiert werden können.