Politikwissenschaftler Fritz Walter hat nun die Ergebnisse seiner im Auftrag der GRÜNEN erstellten Recherche veröffentlicht. Unabhängig davon, was ihn dazu getrieben haben mag, diese Ergebnisse ausgerechnet einige Tage vor den Parlamentswahlen publik zu machen, geht aus ihnen hervor, dass diese Partei in den achtziger Jahren in ihren Programmen Pädophilie gut geheißen hatte, wenn "beide Seiten es im gegenseitigen Einverständnis tun". Als ich die Nachricht von dieser Recherche vernahm, musste ich mich leider an meine Zeit in der Bundesrepublik vor der Wiedervereinigung erinnern.
Es muss so in der Mitte der achtiger Jahre gewesen sein, als ich - aus dem kommunistisch unterjochten Polen in die Bundesrepublik illegal zum Studieren gekommen - von der seltsamen Kinderliebe unter den grünen Politikern und Wählern erfahren habe. Eines Abends schaute ich mir in meinem Hamburger Studentenwohnheim Fernsehen an, als über die grün angefärbte Forderung nach der gleichberechtigen körperlichen Liebe zwischen acht- und achtundsechzighährigen berichtet wurde, wenn ich mich richtig erinnere - kommentarlos. Ich wollte nicht glauben, was ich da gehört habe, während meine eingeborenen studentischen Mitbewohner - kritisch wie der Großteil der deutschen Jugend zu sein pflegt, wenn es um Abstrusitäten in ihrem eigenen Land geht - gar nicht staunten wollten. Ein Streit brach aus, in dem mir die Rolle eines zwar vom Schicksal betroffenen, aber letztlich doch ein bisschen "faschistoiden, katholischen" Polen zugeteilt wurde (diese Rolle war ich mittlerweile gewöhnt gewesen, obwohl ich bei aller Sympathie für den Katholizismus niemals katholisch war). Ich hatte dafür sogar etwas Verständnis, weil ich allmählich realisierte, dass meine Kommilitonen, die ich privat meistens sehr, sehr mochte, in politischer Hinsicht normalerweise doch arme Schweine waren. Sie stellten nämlich Produkte des altbundesrepublikanischen Wohlstandsnihilismus dar, der im sonderbaren politischen Klima, das von den in der direkten Nachkriegszeit rapide demokratisierten Nazis und der politischen Naivität der in der Nachkriegsszeit durch die größtenteils zutiefst verdorbene Kriegsgeneration betrogenen Jugend geprägt war. Biedere, aber auf nationalistische Weise trotzdem zynische bürgerliche Parteien, der Hang zum totalitären Denken unter Eliten (diesmal Marxismus) und die aufsteigende Fremdenfeindlichkeit, gepaart mit der nationalen Hassliebe, trugen auch zum Gedeihen dieses bis heute vorherrschenden Nihilismus der Übersättigten bei. Die Grünen - damals von noch mehr Studenten als heute unterstützt - waren in einem stetigen Aufstieg begriffen, weil sie einen für politisch unterentwickelte Ignorante attraktiv erscheinenden Ausweg aus diesem politischen Matsch versprachen. Für mich war diese Partei (und auch das ihr nahe stehende Witzblatt "Tageszeitung") nicht nur wegen der Pädophilie-Äußerungen, sondern auch wegen ihrer außenpolitischen Unbedarftheit inakzeptabel. Sie trat allen Ernstes für einseitige Abrüstung ein, um die auch mich im Ostblock regierenden Verbrecher mit gutem Beispiel zur ähnlichen außenpolitischen Haltung zu bewegen. Das marxistische bzw. post-marxistische (heute sagt man dazu häufig "postmoderne") Personal unter den in Turnschuhen laufenden Funktionären war für mich ein Beweis dafür, dass Deutschland noch einen langen Weg würde gehen müssen, um tatsächlich im Westen anzukommen.
Vor diesem Hintergrund der eigenen Biographie schockieren mich die "Enthüllungen" Fritz Walters selbstverständlich nicht. In den letzten Jahrzehnten habe ich vielmehr die GRÜNEN zu schätzen gelernt: Sie weichen doch vom vorherrschenden Typus des deutschen politischen Opportunisten nicht um ein Jota ab. Ihre Karriere-Sucht nennen sie und ihre Anhänger "Marsch durch Institutionen". Wenn nötig, wandeln sich diese Pazifisten von früher zu der bellizistischen Fraktion der deutschen Politik schlechthin um. Zwar brauchten sie dafür Jahrzehnte, aber sie haben zweifellos die parlamentarische Demokratie gelernt. Den anderen etablierten Parteien durchaus ähnlich sind sie zudem dazu außer Stande, den politischen Herausforderungen von heute gerecht zu werden. Auch sie glauben, dass es mit "Energiewende" getan sein wird. Demokratie in der EU ist auch ihnen gleichgültig. Sollen sie also wirklich nur deshalb als regierungsunfähig gelten, weil sie früher bodenlos dumm und - nicht nur für Kinder - gefährlich waren?
Ja, auch ich bin richtig deutsch geworden, wie diese neue Einstellung zeigt. Ist es aber vermeidbar, wenn man in einem fremden Land Jahrzehnte lang lebt?