Abends und in der Nacht kehre ich dank dem russischen Fernsehen in die kommunistische Vergangenheit zurück. Die Wut über die Entwicklung der letzten Tage in der Ukraine führt dazu, dass die russische Propaganda-Machine - hier besonders ein gewisser Kiselew, der in dieser eine wohl zentrale Rolle spielt - keinerlei Rücksicht auf Fakten nimmt.
In den letzten dreißig Minuten habe ich in einem vom Sender Rossija 1 veröffentlichten Programm u.a. Folgendes gehört:
1) Die Majdan-Bewegung wird von den Faschisten aus dem Westen der Ukraine geführt, die mit Gewalt das Land erobern wollen.
2) Janukowytsch hat den Kampf gegen Majdan verloren, weil er keine Gewalt anwenden wollte.
3) Er wollte keine Gewalt gegen Majdan anwenden, weil die drei im Konflikt vermittelnden EU-Minister ihn dazu überredet haben.
4) Sie hatten dabei Erfolg, weil sie Sicherheit ihm persönlich und "seinen Konten in Europa" Bestand versprochen haben.
5) Die Angehörigen der Berkut-Einheiten erhalten während der Majdan-Krise für ihren Dienst weniger Geld als die Majdan-Kämpfer (diese erhalten 1000 USD pro Tag).
6) Die Majdan-Leute lassen die Ostukrainer nicht in die Hauptstadt kommen (das wurde mit einem Bild von einem auf einer Straße wendenen Auto "belegt").
7) Hinter allen bösen Aktivitäten auf dem Majdan stehen die USA (selbstverständlich).
Das sind nur einige Thesen von vielen. Es wird aber auch gelogen, indem
1) Bilder der Kämpfe der vergangenen Tage werden immer mit dem Kommentar unterlegt, der die Veranwortung dafür dem Majdan in die Schuhe schiebt.
2) die Aussagen der Majdan-Teilnehmer so zusammengeschnitten werden, dass sie die gewünschte Wirkung erzielen.
3) zusammenhängende Gespräche mit den Majdan-Anhängern nicht gesendet werden, dafür aber viele Interviews mit den Gegnern der Bewegung.
Schließlich hetzt das russische Fernsehen die russischsprachigen Ukrainer gegen die Demokratie-Bewegung auf. Zum einen wird immer wieder behauptet, dass die Krim de facto die Ukraine bereits verlassen hat. Zum anderen wird die Majdan-Bewegung als eine gegen die Ostukraine gerichtete dargestellt. Die "Föderalisierung" der Ukraine wird unter diesen Bedingungen empfohlen. Den Ostukrainern, die dieses Fernsehen empfangen, wird deutlich gemacht, dass ihre Zukunft angeblich bedroht ist.
Die vernichtende Kritik der russischen Medien an Janukowytsch - einem schwachen und gierigen Mann - setzte erst heute an. Dies widerspricht zwar der bisherigen russischen Linie der Unterstützung des ukrainischen Präsidenten. Leider wird dieser Schurke nicht unbedingt im Gefängnis oder auf einer Straßenlaterne enden. Anscheinend könnte Putin ihn doch noch gebrauchen.
Denjenigen, die des Russischen nicht mächtig sind bzw. das russische Fernsehen nicht empfangen können, und sich diesen Drecksjournalismus trotzdem anschauen möchten, empfehle ich den russischen Ausslandssender RT (auf Englisch).