Der im Titel angedeutete Meinungsaustausch fand auf Facebook statt. Mein dortiger "Freund", Peter W. Schulze, postete auf meiner Seite seinen Text über die Krim-Krise: http://www.theeuropean.de/peter-schulze/8076-russlands-machtposition-in-europa.
Ich habe aus seiner Analyse einen für den Autor offenbar zentralen Gedanken ablesen können, den ich kritisch kommentierte:
Jerzy J. Maćków. Also die zahlreichen Fehler des Westens haben zur Invasion auf die Krim geführt. Bin nicht einverstanden.
Die Antwort kam prompt:
Peter W. Schulze. Nein,
da haben sie mich falsch verstanden. wir haben keine institutionen, die
in solchen krisenfällen beide seiten über einen dialog zur krisenlösung
zusammenbringen. moskau wollte solche institutionen, aber leider wurden
die wenigen offerten von westlicher
seite abgelehnt,, nun haben wir das problem, dass nicht antizipatorisch
oder präventiv auf krisen geantwortet wird, sondern man telefoniert
sich erst zusammen, wenn das kind in den brunnen gefallen ist.
Jerzy J. Mackow. Lieber
Herr Schulze. Ich bin auch für den europäischen Staat. Treten wir dafür
zusammen ein! Ansonsten werden wir bei jeder Krise Gleiches beklaagen.
Und das führt doch zu nichts.
Obwohl Peter W. Schulze auf meinen Aufruf nicht reagierte, zeugt ein anderer Diskussionsstrang noch deutlicher von besagten unvereinbaren Denkstilen im Westen:
Peter W. Schulze. [...] Sanktionen
[gegen Russland -j.m.] sind Unsinn. Die USA können sie verhängen, denn ihr
Wirtschaftsaustausch mit Russland ist verschwindend gering. Ebenso der
des Uk und von Polen. Es würde
die EU Staaten, allen voran Deutschland, Holland, Österreich treffen.
Vielleicht ein kleiner Trick der USA , die schon seit geraumer Zeit über
die boomende Wirtschaft in Deutschland sauer sind und zu
Zurückhaltungen bei den deutschen Exporten mahnen. Ja, so rächt sich die
Illusion von der post-industrial society eines Daniel Bell ua.
US-Vordenker.
Jerzy J. Maćków. Herr
Schulze. Noch zu den "Tatsachen", die sie nennen. Ihre Annahme, dass
die UK und Polen einen schwachen Wirtschaftsaustausch mit Russland
haben, zeugt davon, dass Ihre Gedanken empirisch nicht untermauert sind.
Haben Sie von russischen Oligarchen in
London gehört? Nur eine Zahl: 30 russische Firmen - Kapital insgesamt
454 Mrd USD - sind auf der Londoner Börse. Sie sollen nicht glauben,
dass nur die Deutschen so gierig sind, mit Russland Geld zu machen. Auch
die Polen lieben Geschäfte mit Russland, was in Dland unvorstellbar
erscheint, obwohl dies die Realität seit ungefähr 400 Jahren ist. Gut
80% vom Gas in Polen kommt aus russischen Pipelines. Nach der EU ist
Russland der zweite Wirtschaftspartner Polens - besonders für den
polnischen Mittelstand. Stellen Sie sich noch etwas vor: In Polen ist
Russisch die populärste fakultative Fremdsprache, die in Deutschland
bekanntlich selbst viele verbeamtete universitäre Russland-Experten
nicht beherrschen. Erlauben Sie mir noch eine Bemerkung: Die
stillschweigende Annahme, dass die Ökonomie Welt regiert, ist häufig
(nicht immer - die Welt ist eben kompliziert) falsch - der Marxismus ist
doch eine falsche Theorie. Die stillschweigende Annahme, deutsche
Geschäfte legitimieren Außenpolitik, die Angriff und Raub vom Land
akzeptiert, ist zweifelhaft. Die Freiheit der Krim-Tataren und der
Ukrainer, die heute auf dem Spiel steht,
ist wichtiger als der deutsche Lebensstandard. Das verstehen fast alle
Polen und immerhin 50% der Engländer, die die Sanktionen gegen Russland
befürworten. Diese Engländer tun es übrigens gegen ihre eigene
Regierung. In Deutschland ist der letztgenannte Sachverhalt
unvorstellbar, nicht wahr?
Peter W. Schulze. schauen sie sich die Wirtschaftsdaten an, dann können sie einen leichten Anstieg des Warenaustausches mit Polen vermerken, aber gegen die ca. 100 Mrd. Euro ist das ein Klacks, den der deutsch-russische Handel erbringt. Es ist ja nur gut, dass auch die poln.Regierung langsam begreift, dass es einen Markt im Osten gibt. Nur zur Erinnerung: Polen ist weitaus wie auch andere frühere RGW Staaten von Energieeinfuhren aus Russland abhängig als Deutschland.Niemand bedroht die "Freiheit" der krimtartaren oder Ukrainer" das ist dummes Gerede. Es geht hier um die Frage der Sebstbestimmung, die ein integrales element des Völkerrechts ist und auch Sezessionen regelt. Informieren sie sich mal über diesen wirklich spannenden Umstand.
Jerzy. J. Mackow. Es tut mir Leid, aber Sie wissen zu wenig, Herr Kollege. Sie wissen nichts über die polnische Wirtschaftspolitik (Sie belehren "die polnische Regierung", als hätten Sie den Schein einer Ahnung darüber), nichts über die Krim-Tataren (die sind Ihnen auch egal; das ist nicht schön - lesen Sie über die Zeit der deutschen Besatzung von der Krim etwas) und sehr wenig über die Ukraine. So geht es wirklich nicht. Darüber hinaus, Herr Kollege: Die Wirtschaftsdaten sollen Sie ab und zu im Kontext der Wirtschaftsstärke des betroffenen Landes betrachten, und nicht in absoluten Zahlen. Sie werden doch nicht beispielsweise behaupten wollen, dass Finnland oder die Schweiz arme Länder sind, weil sie insgesamt weniger exportieren als Deutschland. Kehren wir bitte zur sachlichen Diskussion zurück.
Diese Auseinandersetzung ist typisch für den im Westen jetzt geführten Streit über die notwendige Reaktion auf den russischen Völkerrechtsbruch auf der Krim. Das Schicksal von ganzen Völkern ist davon abhängig, wer in diesem westlichen Konflikt die Oberhand gewinnt.