05.03.2014

Unüberwindbare Meinungsunterschiede zur russischen Aggression auf der Krim

Der im Titel angedeutete Meinungsaustausch fand auf Facebook statt. Mein dortiger "Freund", Peter W. Schulze, postete auf meiner Seite seinen Text über die Krim-Krise: http://www.theeuropean.de/peter-schulze/8076-russlands-machtposition-in-europa.

Ich habe aus seiner Analyse einen für den Autor offenbar zentralen Gedanken ablesen können, den ich kritisch kommentierte:

Jerzy J. Maćków. Also die zahlreichen Fehler des Westens haben zur Invasion auf die Krim geführt. Bin nicht einverstanden.

Die Antwort kam prompt:

Peter W. Schulze. Nein, da haben sie mich falsch verstanden. wir haben keine institutionen, die in solchen krisenfällen beide seiten über einen dialog zur krisenlösung zusammenbringen. moskau wollte solche institutionen, aber leider wurden die wenigen offerten von westlicher seite abgelehnt,, nun haben wir das problem, dass nicht antizipatorisch oder präventiv auf krisen geantwortet wird, sondern man telefoniert sich erst zusammen, wenn das kind in den brunnen gefallen ist.

Jerzy J. Mackow. Lieber Herr Schulze. Ich bin auch für den europäischen Staat. Treten wir dafür zusammen ein! Ansonsten werden wir bei jeder Krise Gleiches beklaagen. Und das führt doch zu nichts.

Obwohl Peter W. Schulze auf meinen Aufruf nicht reagierte, zeugt ein anderer Diskussionsstrang noch deutlicher von besagten unvereinbaren Denkstilen im Westen:

Peter W. Schulze. [...] Sanktionen [gegen Russland -j.m.] sind Unsinn. Die USA können sie verhängen, denn ihr Wirtschaftsaustausch mit Russland ist verschwindend gering. Ebenso der des Uk und von Polen. Es würde die EU Staaten, allen voran Deutschland, Holland, Österreich treffen. Vielleicht ein kleiner Trick der USA , die schon seit geraumer Zeit über die boomende Wirtschaft in Deutschland sauer sind und zu Zurückhaltungen bei den deutschen Exporten mahnen. Ja, so rächt sich die Illusion von der post-industrial society eines Daniel Bell ua. US-Vordenker.  

Jerzy J. Maćków. Herr Schulze. Noch zu den "Tatsachen", die sie nennen. Ihre Annahme, dass die UK und Polen einen schwachen Wirtschaftsaustausch mit Russland haben, zeugt davon, dass Ihre Gedanken empirisch nicht untermauert sind. Haben Sie von russischen Oligarchen in London gehört? Nur eine Zahl: 30 russische Firmen - Kapital insgesamt 454 Mrd USD - sind auf der Londoner Börse. Sie sollen nicht glauben, dass nur die Deutschen so gierig sind, mit Russland Geld zu machen. Auch die Polen lieben Geschäfte mit Russland, was in Dland unvorstellbar erscheint, obwohl dies die Realität seit ungefähr 400 Jahren ist. Gut 80% vom Gas in Polen kommt aus russischen Pipelines. Nach der EU ist Russland der zweite Wirtschaftspartner Polens - besonders für den polnischen Mittelstand. Stellen Sie sich noch etwas vor: In Polen ist Russisch die populärste fakultative Fremdsprache, die in Deutschland bekanntlich selbst viele verbeamtete universitäre Russland-Experten nicht beherrschen. Erlauben Sie mir noch eine Bemerkung: Die stillschweigende Annahme, dass die Ökonomie Welt regiert, ist häufig (nicht immer - die Welt ist eben kompliziert) falsch - der Marxismus ist doch eine falsche Theorie. Die stillschweigende Annahme, deutsche Geschäfte legitimieren Außenpolitik, die Angriff und Raub vom Land akzeptiert, ist zweifelhaft. Die Freiheit der Krim-Tataren und der Ukrainer, die heute auf dem Spiel steht, ist wichtiger als der deutsche Lebensstandard. Das verstehen fast alle Polen und immerhin 50% der Engländer, die die Sanktionen gegen Russland befürworten. Diese Engländer tun es übrigens gegen ihre eigene Regierung. In Deutschland ist der letztgenannte Sachverhalt unvorstellbar, nicht wahr?

Peter W. Schulze. schauen sie sich die Wirtschaftsdaten an, dann können sie einen leichten Anstieg des Warenaustausches mit Polen vermerken, aber gegen die ca. 100 Mrd. Euro ist das ein Klacks, den der deutsch-russische Handel erbringt. Es ist ja nur gut, dass auch die poln.Regierung langsam begreift, dass es einen Markt im Osten gibt. Nur zur Erinnerung: Polen ist weitaus wie auch andere frühere RGW Staaten von Energieeinfuhren aus Russland abhängig als Deutschland.Niemand bedroht die "Freiheit" der krimtartaren oder Ukrainer" das ist dummes Gerede. Es geht hier um die Frage der Sebstbestimmung, die ein integrales element des Völkerrechts ist und auch Sezessionen regelt. Informieren sie sich mal über diesen wirklich spannenden Umstand.

Jerzy. J. Mackow. Es tut mir Leid, aber Sie wissen zu wenig, Herr Kollege. Sie wissen nichts über die polnische Wirtschaftspolitik (Sie belehren "die polnische Regierung", als hätten Sie den Schein einer Ahnung darüber), nichts über die Krim-Tataren (die sind Ihnen auch egal; das ist nicht schön - lesen Sie über die Zeit der deutschen Besatzung von der Krim etwas) und sehr wenig über die Ukraine. So geht es wirklich nicht. Darüber hinaus, Herr Kollege: Die Wirtschaftsdaten sollen Sie ab und zu im Kontext der Wirtschaftsstärke des betroffenen Landes betrachten, und nicht in absoluten Zahlen. Sie werden doch nicht beispielsweise behaupten wollen, dass Finnland oder die Schweiz arme Länder sind, weil sie insgesamt weniger exportieren als Deutschland. Kehren wir bitte zur sachlichen Diskussion zurück.

Diese Auseinandersetzung ist typisch für den im Westen jetzt geführten Streit über die notwendige Reaktion auf den russischen Völkerrechtsbruch auf der Krim. Das Schicksal von ganzen Völkern ist davon abhängig, wer in diesem westlichen Konflikt die Oberhand gewinnt.