Erst jetzt, zu Beginn der vorlesungsfreien Zeit, komme ich endlich dazu, hier die letzte email aus meiner leidigen Korrespondenz mit der Bonner Akademie für Forschung und Lehre Praktischer Politik (BAPP) zu posten. Ich erhielt zwischendurch sogar einen vorwurfsvollen Anruf von der wissenschaftlichen Seite der Akademie, ich hätte in meinem früheren Post (nachzulesen hier) den email-Wechsel nur unvollständig wiedergegeben. Wie jeder überprüfen kann, entbehrt dieser Vorwurf jedweder Grundlage: Ich hatte die Korrespondenz am 31. März d.J. publik gemacht, d.h. lange bevor am 29. April die besagte letzte email des Geschäftsführers der BAPP, Dr. Boris Bergers, an mich geschickt wurde. Trotzdem habe ich damit nicht das geringste Problem, auch sie hier zu veröffentlichen (siehe unten).
Die tückische Wortwahl und der absurde Inhalt überraschen mich bei diesem Geschäftsführer nicht. Knapp zwei Monate zuvor hatte er die Veröffentlichung meines von der Akademie bestellten Manuskripts abgelehnt. Jetzt "erneuert [er nun] noch einmal das Angebot", meine "Ergebnisse in der Publikationsreihe der Akademie zu publizieren". Das klingt so, als hätte ich mich früher mehrfach geweigert, gleiches Angebot anzunehmen. In Wirklichkeit hatte ich mich im September 2013 schriftlich u.a. dazu verpflichtet, mein Projekt mit einer Publikation für die BAPP abzuschließen. Diese Verpflichtung habe ich termingerecht - Anfang Februar 2015 - erfüllt. Es waren aber Dr. Berger und der Akademie-Leiter Udo Hombach, beide herausragende Experten in den Fragen Osteuropas, der Wissenschaftlichkeit, obendrauf noch unübertroffene Meister der deutschen Sprache, die meinen "antirussischen" Text "als politisch einseitig, wissenschaftlich zumindest leicht angreifbar und sprachlich oftmals zu drastisch" disqualifiziert hatten.
Nach dieser Ablehnung habe ich keinerlei Anstalten unternommen, um einen Sinneswandel in der Akademie-Führung zu erreichen, weil ich die Gleichsetzung von Kritik an Putin und seinem Regime mit Russlandfeindlichkeit für niveaulos halte. Vielmehr habe ich nach einem Verlag Umschau gehalten, der mein Buch publizieren würde. Ich kann aber nicht ausschließen, dass eben mein Post mit der hier zitierten, hinsichtlich ihrer geistigen und intellektuellen Simplizität geradezu betörenden email Dr. Bergers den Meinungsumschwung der Akademie mitgewirkt hat. Denn die von mir veröffentlichten Worte des Geschäftsführers erscheinen als ein weiterer Beleg dafür, dass die BAPP zum Kreis der deutschen "Putin-Versteher" gehört, zumal sie kurz nach dem Mord an Boris Nemzow geschrieben wurden...
Wie ich es heute einschätzen kann, weist die BAPP-Führung in Sachen Russlands und der Ukraine nicht nur baträchtliche Kompetenzdefizite auf, sondern sie ist vielmehr an dieser Kompetenz nicht sonderlich interessiert. Business as usual scheit auf diesen Feldern ihr schlichtes Motto und zugleich Programm zu sein. Obwohl ich zumindest in ihrem Umfeld trotzdem vielleicht einen kleinen Kompetenzzuwachs bewirken könnte, habe ich zu keinem Zeitpunkt ernsthaft überlegt, ihren Vorschlag vom 29. April anzunehmen. Ich werde selbstverständlich mit der wissenschaftlichen Leitung der BAPP keinen Kuhhandel treiben, um einvernehmlich zu bestimmen, welche "polemische Passagen" meines Textes auf Putin-Unterstützer bzw. Putin-Freunde in Deutschland "möglicherweise irritierend" wirken. Obwohl ich ausgerechnet auf diesem Feld von der Akademie gewiss Einiges lernen könnte.
Es tut mir sehr Leid, es über eine Einrichtung, für die ich anderthalb Jahre redlich gearbeitet habe, so sagen zu müssen, aber das in der email Dr. Bergers wiederholt vertretene Verständnis des freien Wortes und Wissenschaft ist ein Witz... Aus Geschichte nichts gelernt.
Die email Dr. Bergers vom 29. April im Wortlaut:
Sehr geehrter Herr Professor Maćków,
Bezugnehmend auf das von Ihnen geplante und von der BAPP finanzierte
Publikationsprojekt zum Forschungsprojekt möchte ich nach Rücksprache
mit unseren Gremien noch einmal das Angebot erneuern, Ihre Ergebnisse in
der Publikationsreihe der Bonner Akademie zu publizieren.
Dabei bitten wir Sie, die zwischen uns thematisierten polemischen
Passagen, die auf Leser möglicherweise irritierend wirken, zu streichen
oder durch mildere Formulierungen zu ersetzen, damit unnötige Reaktionen
verhindert werden.
Dazu setzen Sie sich am besten mit dem Wissenschaftlichen Leiter unserer
Einrichtung, Herrn Prof. Dr. Frank Decker, in Verbindung, der Ihnen
entsprechende Vorschläge machen kann.
Mit freundlichen Grüßen
Boris Berger
Ich gehe davon aus, dass damit die Angelegenheit abgeschlossen ist.
Man soll gegen den Strom schwimmen. Mit dem Strom schwimmt der Müll. (Zbigniew Herbert)
23.07.2015
16.07.2015
Vier Argumente gegen die (halb)offizielle deutsche Selbstgefälligkeit in der Griechenland-Krise
Es geht wirklich zu weit, dass ausgerechnet in Deutschland, und konkret in den deutschen Medien, immer wieder "die osteuropäischen Staaten" als das Vorbild für "die Griechen" herangezogen werden. Um sich wirtschaftlich aufzurichten, hätten "die Osteuropäer" so viele Entbehrungen auf sich genommen gehabt, dass angesichts dessen die griechischen Reformbemühungen der letzten Jahre verblassen würden. Ohne gegen dieses politische und mediale Hauptargument inhaltlich vorzugehen, sei hier auf vier Sachverhalte hingewiesen:
Erstens würde dieses unerwartete Lob der Mittel- und Nordosteuropäer nur dann glaubwürdig klingen, wenn die gleichen Medien es auch zuvor ausgesprochen hätten. Dies geschah aber nicht, obwohl viele postkommunistische Reformländer ihre Wirtschaftstransformation besser gemeistert hatten als die Deutschen. Es vergingen mittlerweile ganze Jahrzehnte, seitdem diese Tatsache für die gutwilligen Beobachter (etwa in der angelsächsischen Welt) offensichtlich geworden war. Brauchte man in Deutschland wirklich die Griechenland-Krise, um den Erfolg einiger postkommunistischer Länder zu würdigen?
Zweitens: Es waren ausgerechnet die Deutschen, die die wirtschaftsliberalen Reformen in den heute in den meisten deutschen Medien plötzlich als besonders erfolgreich anerkannten postkommunistischen Ländern - speziell in den baltischen Staaten und Polen - am kritischsten betrachtet hatten. In Deutschland hatte man sich während der dortigen Systemtransformation - dh. besonders in der ersten Hälfte der neunziger Jahre - fast beleidigt gegeben, dass in Mittel- und Nordosteuropa die bereits damals längst zur Worthülse verkommene deutsche "soziale Marktwirtschaft" nicht als das Vorbild betrachtet wurde. Die meisten Empfehlungen, die die deutschen Eliten damals Richtung europäischen Osten ausgestoßen hatten, waren schlichtweg wirklichkeitsfremd und ignorant gewesen. Inhaltlich ähnelten sie übrigens jenen heute hierzulande so verfemten Vorstellungen, mit denen in Griechenland die Syriza im Januar die Parlamentswahlen und Aleksis Tsipras im Juli das Referendum gewonnen haben. Nebenbei bemerkt: Dass Tsipras vor einigen Monaten zum Verbrecher und EU-Feind Putin gefahren ist, um Hilfe zu erbitten, darüber haben sich diese Medien keineswegs einhellig empört.
Drittens ist es ausgerechnet Wolfgang Schäuble, den die meisten deutschen Medien heutzutage gegen die Kritik aus aller Welt heftig verteidigen, im eigenen Land niemals als Reformpolitiker oder wenn auch nur ein guter Finanzminister aufgefallen. Deshalb wirkt seine andauernde Griechenland-Schelte nicht gerade glaubwürdig. Er ist daher - milde gesagt - ein falscher Lehrmeister für Griechenland (von der EU oder der Euro-Zone ganz zu schweigen).
Viertens haben die allermeisten Deutschen so gut wie keine Ahnung von "den osteuropäischen Staaten", wozu neben der deutschen Schule ausgerechnet jene Medien, von denen hier die Rede ist, entscheidend und redlich beigetragen haben. Und wenn man etwas nicht weiß, soll man darüber schweigen.
Erstens würde dieses unerwartete Lob der Mittel- und Nordosteuropäer nur dann glaubwürdig klingen, wenn die gleichen Medien es auch zuvor ausgesprochen hätten. Dies geschah aber nicht, obwohl viele postkommunistische Reformländer ihre Wirtschaftstransformation besser gemeistert hatten als die Deutschen. Es vergingen mittlerweile ganze Jahrzehnte, seitdem diese Tatsache für die gutwilligen Beobachter (etwa in der angelsächsischen Welt) offensichtlich geworden war. Brauchte man in Deutschland wirklich die Griechenland-Krise, um den Erfolg einiger postkommunistischer Länder zu würdigen?
Zweitens: Es waren ausgerechnet die Deutschen, die die wirtschaftsliberalen Reformen in den heute in den meisten deutschen Medien plötzlich als besonders erfolgreich anerkannten postkommunistischen Ländern - speziell in den baltischen Staaten und Polen - am kritischsten betrachtet hatten. In Deutschland hatte man sich während der dortigen Systemtransformation - dh. besonders in der ersten Hälfte der neunziger Jahre - fast beleidigt gegeben, dass in Mittel- und Nordosteuropa die bereits damals längst zur Worthülse verkommene deutsche "soziale Marktwirtschaft" nicht als das Vorbild betrachtet wurde. Die meisten Empfehlungen, die die deutschen Eliten damals Richtung europäischen Osten ausgestoßen hatten, waren schlichtweg wirklichkeitsfremd und ignorant gewesen. Inhaltlich ähnelten sie übrigens jenen heute hierzulande so verfemten Vorstellungen, mit denen in Griechenland die Syriza im Januar die Parlamentswahlen und Aleksis Tsipras im Juli das Referendum gewonnen haben. Nebenbei bemerkt: Dass Tsipras vor einigen Monaten zum Verbrecher und EU-Feind Putin gefahren ist, um Hilfe zu erbitten, darüber haben sich diese Medien keineswegs einhellig empört.
Drittens ist es ausgerechnet Wolfgang Schäuble, den die meisten deutschen Medien heutzutage gegen die Kritik aus aller Welt heftig verteidigen, im eigenen Land niemals als Reformpolitiker oder wenn auch nur ein guter Finanzminister aufgefallen. Deshalb wirkt seine andauernde Griechenland-Schelte nicht gerade glaubwürdig. Er ist daher - milde gesagt - ein falscher Lehrmeister für Griechenland (von der EU oder der Euro-Zone ganz zu schweigen).
Viertens haben die allermeisten Deutschen so gut wie keine Ahnung von "den osteuropäischen Staaten", wozu neben der deutschen Schule ausgerechnet jene Medien, von denen hier die Rede ist, entscheidend und redlich beigetragen haben. Und wenn man etwas nicht weiß, soll man darüber schweigen.
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