02.11.2012

Parlamentswahlen in der Ukraine

Die Ukraine hat am 28. Oktober das neue Parlament gewählt. Die Wahlergebnisse haben gezeigt, dass sich die ukrainischen Wähler um die arrogant-selbstgefällige Ukraine-Ignoranz, die im Vorfeld der Fußball-Europameisterschaft in Deutschland blütete (dazu mein Post "Den zum Boykott Aufrufenden ist das Schicksal Julia Tymoschenkos egal"), gar nicht scheren (nichts Anderes haben auch Beobachter mit gesundem Menschenverstand erwartet).

Abgesehen von Unregelmäßigkeiten bei der Wahldurchführung, die offenbar weniger als bei den russischen Wahlen Ende des vorangegangenen und im Frühling dieses Jahres waren, wurde ein anderer negativer Trend sichtbar. In der Mitte des politischen Spektrums, die in der Ukraine selbst manchmal "schwarzes Loch" genannt wird, hat sich kaum etwas verändert, obwohl eine neue Kraft - die "Udar" Vladimir Klitschkos - auf Anhieb ins Parlament einzog. Denn diese Partei ist genauso form- und inhaltslos wie die "Regionalisten" von Janukowytsch oder die "Bat'kiwschtschina"-Opposition: kein Programm, das den Namen verdient, kein Ethos, dafür aber undurchsichtige Finanzierung und unverschämter Populismus. Nichts Neues, haben sich doch die meisten postsowjetischen Gesellschaften an diese Erscheinungen gewöhnt.

Bedrohlicher als diese Kontinuität in der Mitte ist die nun sichtbare Radikalisierung der breit gewordenen Ränder, also ausgerechnet dieser Bereiche, die etwas Ideologie, Programm, Ethos und Struktur aufweisen. Sowohl die Kommunisten, die in den neunziger Jahren bereits tot zu sein schienen, als auch die faschistoide (bzw.rechtsradikale) "Swoboda" sind die einzigen tatsächlichen Gewinner der Parlamentswahlen. Dabei haben die Rechtsradikalen zum ersten mal auch im Osten nennenswerte Unterstüzung bekommen.

Radikale Kräfte und "das schwarze Loch" prägen also die politische Bühne, wobei die Erstgenannten Aufwind verspüren. Dass sich die Mehrheit der Bevölkerung trotzdem stets für die EU-Integration ausspricht, ist in diesem Zusammenhang eher belanglos. Denn es ist eben diese Mehrheit, die letztlich mit ihrer Abstimmung dafür sorgt, dass die genannten Kräfte, die außerstande bzw. dagegen sind, die Ukraine zur EU zu führen, die ukrainische Politik bestimmen.