18.12.2012

Erfolg oder Sumpf? Polen-Reihe 2:Über die starke polnische Wirtschaft


Wenn man bei dem in Polen nach dem Kommunismus vollbrachten Systemwechsel von der Freiheit der Polen sprechen kann, dann betrifft sie in erster Linie die ihnen unter der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg und im Sozialismus verwehrte Freiheit des Wirtschaftens. Mit der von Leszek Balcerowicz konzipierten marktwirtschaftlichen „Schocktherapie“ des Jahres 1990 gewann die Ökonomie auf einen Schlag ihre Autonomie gegenüber dem Staat wieder, was zu einer explosivartigen Entwicklung des privaten Sektors geführt hat. Der kleine Mittelstand macht mittlerweile gut neunzig Prozent der polnischen Wirtschaft aus. Er, die Investitionen aus dem Ausland und die stets steigenden Exporte sorgen für eine turboartige Wohlstandssteigerung, die nach den immensen sozialen Verwerfungen der ersten Nach-Sozialismus-Jahre seit in etwa Mitte der Neunziger andauert. Es ist zwar immer noch nicht gelungen, der – zumindest nach Meinung von „The Economist“ und (was schon erstaunen muss) Vaclav Klaus – in den letzten zwei Jahrzehnten erfolgreichsten Volkswirtschaft Europas viel innovative Kraft abzugewinnen. Es gibt jedoch keinen Grund zur Annahme, es werde immer so bleiben, auch nachdem die gegenwärtigen Wachstumsquellen ausgeschöpft sein werden.
Trotz und vielleicht wegen des wirtschaftlichen Erfolges ist es im Lande zu einer tiefen sozialen Spaltung gekommen, die sich mittlerweile in vielerlei Hinsicht mit der politisch-kulturellen Trennlinie zwischen dem „traditionellen“ und dem „offenen“ Polen deckt. Die weitere Wohlstandssteigerung könnte zwar dazu beitragen, die Folgen dieses Bruchs zu mildern. Der polnische Staat scheitert jedoch bisher an dieser Aufgabe. Und nicht nur daran.

Fortsetzung folgt