20.12.2012

Erfolg oder Sumpf? Polen-Reihe 3: Über die Kartellisierung von Staat und Gesellschaft


http://en.wikipedia.org/wiki/Leszek_Miller
Die so genannte Rywin-Affäre der zweiten Hälfte des Jahres 2002 und deren parlamentarische Untersuchung im folgenden Jahr offenbarten die wohl spektakulärsten Formen der Korruption in der polnischen Republik. Da gibt es den mit dem postkommunistischen Premierminister (Leszek Miller) gutes Verhältnis pflegenden Chefredakteur und Mitbesitzer der wohl wichtigsten Tageszeitung im Lande (Adam Michnik),
http://en.wikipedia.org/wiki/Adam_Michnik
die von ihm heimlich mitgeschnittenen Gespräche, seinen Wunsch nach dem Kauf eines Fernsehsenders, einen bekannten Filmproduzenten (Lech Rywin) als Bestechungsboten und schließlich das angebliche Angebot der ominösen „Menschen an der Macht“, für 17,5 Mio. Dollar ein den Chefredakteur begünstigendes Gesetz zu verabschieden.
Der polnische Staat ist vielleicht nicht so korrupt wie ihn die Rywin-Affäre erscheinen lässt, aber Umfragen zeigen, dass die meisten Polen von seiner Ehrlichkeit gar nicht überzeugt sind. Zwar geht die Korruption zurück: Gemäß „Transparency International“ rangierte die Republik Polen vor einem Jahrzehnt noch unter den „ehrlichen“ Staaten auf dem 64 Platz. Inzwischen steigerte er sich auf den 41. Platz. Damit gehört Polen – zusammen mit Ungarn und Slowenien – den am wenigsten korrupten postkommunistischen Ländern an. Zufriedenstellend ist diese Positionierung jedoch nicht.

Die Korruption wird nicht zuletzt durch die Kartellisierung des politischen Systems gefördert. Die Kartelle expandieren aber über das politische System hinaus und scheinen mittlerweile das öffentliche Leben fest im Griff zu haben – inbegriffen freie Berufe, Richter, Staatsanwälte, Medien, Universitäten u.a.m. Nicht nur politische, sondern auch die gesellschaftliche Freiheit wird dadurch unterminiert. Der Staat steuert dieser antibürgerlichen und oft nepotischen Kartellisierung nicht entgegen, sondern vielmehr begünstigt er sie.
Es handelt sich dabei um für postkommunistische Länder typische Erscheinungen. Sie sind mehr oder weniger mit dem bis heute nicht überwundenen Erbe des Totalitarismus verbunden, der eine Art Privatisierung des Staates praktizierte. Die Machtausübung war mit Privilegien verbunden, was eine Kultur der Selbstbedienung förderte, die immer noch gegenwärtig ist, zumal Polen nach 1989 nicht die Möglichkeit gehabt hatte, die Eliten des kommunistischen Parteistaates ganz auszutauschen.

Fortsetzung folgt