Ich mag Joachim Gauck sehr. Ich schätze ihn auch sehr, neben seinem Charakter auch seine außergewöhnlichen rhetorischen Fähigkeiten. Umso mehr tut es mir leid, dass er - offenbar unwissentlich - das uneträglich kollektivistische Nazi-Wort "asozial" benutzt, das er gerade in den Zusammenhang der Hoeneß-Affäre gebracht hat.
Das Wort zeugt von der andauernden Kontinuität des durch den Nationalsozialismus geprägten deutschen Kollektivismus. Im nationalsozalistischen Deutschland galten Homosexuelle, Prostituierte, Landstreicher, Bettler und Roma als "asozial" und sie wurden dafür zum Teil mit Tod bestraft. Die Roma fielen dieser härtesten Bestrafung - in Vernichtungslagern - zumindest hundert Tausend Mal zum Opfer.
Für alle Gegner des Kollektivismus ist klar: Wenn jemand als Roma geboren wird und lebt, ist er/sie nicht als asozial zu beschimpfen. Wenn jemand homosexuell ist oder sich prostituiert, soll man nicht annehmen, dass er/sie es gegen das soziale Umfeld tut. Auch Landstreicher oder Bettler kann man ebenso freiwillig wie unfreiwillig werden, ohne dass die Mehrheit das Recht hat, jemanden dafür zu beschimpfen oder auszuschließen.
Nur Kollektivisten, die die Menschen nicht als einzelne Personen zu sehen imstande sind, erkennen im Handeln derjenigen, die nicht angepasst sind bzw. anders als die meisten leben, etwas Inakzeptables. Die Nationalsozialisten haben es sehr gut verstanden, diese spießigen Apostel des Kollektivismus im deutschen Volk auf ihre Seite zu ziehen. Und diese Spießer liefen ihnen gern nach.
Wer Steuer hinterzieht, betrügt den Staat und die Gemeinschaft. Dieser Satz reicht als moralisches Urteil über die Steuerhinterzieher vollkommen aus. Man braucht dazu nicht den Jargon des nationalsozialistischen Gesindels. Das soll ausgerechnet der Bundespräsident wissen.