01.03.2016

Lech Wałęsa und das Ende der Allianz von Macht und Lüge

Lech Wałęsa, seit mehreren Jahren bereits eine tragisch verwirrte, von der Wahrheit über seine eigene Biographie gänzlich überforderte Person mit dem Bild der Guttesmutter in Jackenklappe, hat gestern in einem langen Fernsehinterview für einen ihm wohl gesonnenen Sender wieder mehrfach vorsätzlich Unwahrheit gesagt, während er geschworen, die besagte Madonna als Zeugin bemüht und zweimal das Zeichen des Kreuzes gemacht hat. Den Vorschlag eines bekannten Widerständlers aus der kommunistischen Zeit, der heute der älteste Abgeordnete im polnischen Parlament ist, Lech solle "in Wahrheit stehen und Reue zeigen", damit er "wieder mit uns" sein kann, hat er ausgelacht, indem er über den Autor des Vorschlags spottete. Henryk Jagielski, über den der künftige "Solidarność"-Vorsitzende in der ersten Hälfte der siebziger Jahre in seiner Eigenschaft als Spitzel des kommunistischen Geheimdienstes (SB) zutrug, hat er seinerseits einen "Spitzel" genannt. Jagielski, der heute 80 Jahre alt ist, will deshalb vors Gericht ziehen (Foto und Artikel über ihn auf Polnisch).

In einer alles in allem ruhigen und ausgewogenen öffentlichen Diskussion, die die Anhänger der das öffentliche Leben der Dritten Polnischen Republik oft regelrecht lähmenden Lüge über die Verwicklungen der realen und vermeintlichen Helden der "Solidarność" sowie der katholischen Kirche in die Machenschaften der kommunistischen Dienste nicht mehr verhindern können, setzt sich in Polen Schritt für Schritt die Wahrheit endlich durch. Wäre da nicht die PiS-Regierung, deren Vertreter augenblicklich in der laufenden Diskussion über Wałęsa weise Zurückhaltung üben, hätten die in der polnischen Politik, in den polnischen Medien, an den polnischen Universitäten und unter den Warschauer Korrespondenten einiger westlichen Zeitungen agierenden Lügner wahrscheinlich wieder Oberhand gewonnen. Noch vor einigen Tagen haben die Verteidiger des bigott erscheinenden "Symbols von Polen" es geschafft, ca. 100 000 Bürger auf die Straße zu bringen, die ihre Solidarität mit dem "angegriffenen" und von üblen Kräften "beschmutzten" Wałęsa demonstrierten.

Wie perfekt in Polen in der gar nicht so fernen Vergangenheit Macht und Lüge zusammenfinden konnten, zeigte das "Lustrationsgericht", das im Jahr 2000 trotz der erdrückenden Beweislage Wałęsa vom Vorwurf der Zusammenarbeit mit dem SB de facto freigesprochen hatte. Damit hatte der frühere Staatspräsident den Freibrief bekommen, gegen jene Menschen aus dem antikommunistischen Widerstand gerichtlich vorzugehen, die über seine SB-Vergangenheit die Wahrheit sagten. Er, mittlerweile ein reicher Mann, nutzte diese Möglichkeit immer wieder, weshalb die manchmal mittellosen Betroffenen mit hohen Geldstrafen belegt wurden. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund der Vereinnahmung der staatlichen Institutionen durch die Anhänger der Lüge ist es anzunehmen, dass ohne die PiS an der Regierung auch die Wahrheit darüber, dass beim verstorbenen ehemaligen Innenminister Kiszczak die mittlerweile öffentlich zugänglich gemachten Dokumente über die Zusammenarbeit Wałęsas mit dem SB gefunden worden sind, verschleiert worden wäre.

Obwohl die Partei Jarosław Kaczyńskis nach ihrem überwältigenden Wahlsieg im vergangenen Herbst inzwischen durch rabiaten Umgang mit dem Verfassungsgericht an Glaubwürdigkeit verloren hat, behindert nun in Polen die Macht die Wahrheit nicht mehr. Dass dabei das Bild der "Solidarność“ und überhaupt des polnischen Widerstandes gegen den Kommunismus ruiniert wird, dafür tragen dejenigen Verantwortung, die jahrzehntelang Unwahrheit pflegten. Bescheidene und häufig betrogene Teilnehmer an diesem Widerstand wie Henryk Jagielski, von denen es in Polen Hunderttausende gegeben hatte, haben es nicht verdient, dass ihre großartige Bewegung "Solidarność“ als eine verschworene Gemeinschaft erscheint, deren Mitglieder einander mit unredlichen Mitteln unterstützen. Immerhin ist Jagielski und anderen jetzt möglich, mit Aussicht auf Erfolg vor einem polnischen Gericht den Menschen zu verklagen, der sie verunglimpft, ohne dass sich das Lager der Lüge darüber lautstark lustig machen wird.

Der Widerstand dieser während der vergangenen Vierteljahrhunderts zu Unrecht vergessenen "kleinen Menschen" war von universalen Werten wie etwa (das Streben nach) Wahrheit getragen gewesen. Diese Werte wurden von zahlreichen Profiteuren des Wandels nach 1989 konsequent verraten, wodurch die Qualität der polnischen nationalen Gemeinschaft wie jene des polnischen Staates nachhaltig beschädigt worden ist. Jeder, dem Wahrheit am Herzen liegt, kann die geistige Krise, in die Polen jetzt gerutscht ist, nur gut heißen.