Vor 25 Jahren wurde der deutsch-polnische Freudschafts- und
Nachbarschaftsvertrag unterzeichnet. Der zum Politiker aufgestiegene
Intellektuelle Mazowiecki und die etwas korrupte politische Kampfmaschine Kohl
mochten zwar nicht einander, haben den Vertrag aber vorbereitet. Ein infolge der
jahrzehntelangen kommunistischen Herrschaft de facto bankrottes Polen, das
gerade eben seine 1939 verlorene Souveränität durch klugen antikommunistischen, auf die Überwindung des Jalta-Systems gerichteten Kampf
wiedererlangt hatte, näherte sich einem satten, damals schon selbstzufriedenen
Deutschland an, dessen Intellektuelle und politische Klasse einige Jahre zuvor
noch überwiegend an den Bestand der Teilung ihres Landes und Europas fest
geglaubt hatten. Polen brachte in dieses neue Verhältnis mit seinem deutschen Nachbar, der (auch als Preußen) in den vergangenen zwei Jahrhunderten politisch
immer stark und (bis auf einzelne Jahre) konsequent antipolnisch war, große MInderwertigkeitskomplexe ein, die aus seiner ökonomischen und
politischen Schwäche resultierten. Deutschland wiederum brachte in dieses
Verhältnis vor allem ein grenzenloses, von negativen Vorurteilen bestimmtes
Unwissen über "den Polen".
Heute, 25 Jahre später, können wir leider nicht behaupten,
dass das deutsch-polnische Verhältnis, dessen Zustand zwischendurch offiziell tausendfach
als "gelungene Versöhnung" angepriesen wurde, diese schweren Bürden los geworden
ist. Optimistisch für die Zukunft stimmt zudem die Tatsache kaum, dass die
Verantwortung für die gedrückte Stimmung, in der das Jubileum des Vertrages
"gefeiert" wird, sowohl in Deutschland als auch größtenteils in Polen
der Partei PiS und "dem Kaczynski" zugeschrieben wird. Mit dieser
Schuldzuweisung wollen jene Vertreter der polnischen und deutschen Elite von
ihrem Misserfolg ablenken, den spontanen Prozess der echten deutsch-polnischen
Annäherung, die Millionen Deutsche und Polen ohne Rücksicht auf den offiziellen
Versöhnungskitsch praktizierten, wirksam zu begleiten, geschweige denn zu
beschleunigen oder wenn auch nur zu lenken.
Soziologische Befragungen belegen, dass negative Vorurteile nach wie vor die Meinung der Deutschen über Polen bestimmen. Es
kommt hinzu, dass das Kennzeichen des polnischen Establishments entweder arrogante oder kritiklos-anbiederische
Inkompetenz in deutschen Angelegenheiten geblieben ist. Währenddessen haben diejenigen Wenigen aus der
deutschen politischen Klasse, die sich ernsthaft mit Polen beschäftigen, ihr Wissen über und ihr Verständnis für den östlichen Nachbar wesentlich erweitert bzw. vertieft. Über das Erlernen von Polen erzählen die heute von
"Wyborcza" abgedruckten Interviews mit (ausgewählten) deutschen
Korrespondenten aus Polen (siehe Deutsche Korrespondenten über ihre Polen-Erfahrung). Auch sie haben jedoch zu den heutigen Problemen des deutsch-polnischen Verhältnisses wesentlich beigetragen, indem sie oft gegen die Prinzipien des guten Journalismus verstoßen und ein einseitiges Bild Polens propagierten. Das hat heute nicht nur zur Folge, dass Deutsche auf den politischen Richtungswechel in Polen im vergangenen Jahr unvorbreitet waren. Dieses einseitige Bild hat darüber hinaus den innenpolitischen Kampf in Polen angeheizt und zur politischen Polarisierung Polens in das pro- und antideutsche Lager beigetragen. Dabei wissen die Polen, wie erwähnt, sehr wenig über Deutschland. Dass das wichtigste politische Kampfblatt in
Polen ("Gazeta Wyborcza" - sie hat immer weniger Grund, sich eine "Gazeta" zu nennen) in
Deutschland niemals einen Dauerkorrespondenten hatte, spricht in diesem
Zusammenhang Bände.