16.06.2016

25 Jahre des deutsch-polnischen Freundschafts- und Nachbarschaftsvertrages

Vor 25 Jahren wurde der deutsch-polnische Freudschafts- und Nachbarschaftsvertrag unterzeichnet. Der zum Politiker aufgestiegene Intellektuelle Mazowiecki und die etwas korrupte politische Kampfmaschine Kohl mochten zwar nicht einander, haben den Vertrag aber vorbereitet. Ein infolge der jahrzehntelangen kommunistischen Herrschaft de facto bankrottes Polen, das gerade eben seine 1939 verlorene Souveränität durch klugen antikommunistischen, auf die Überwindung des Jalta-Systems gerichteten Kampf wiedererlangt hatte, näherte sich einem satten, damals schon selbstzufriedenen Deutschland an, dessen Intellektuelle und politische Klasse einige Jahre zuvor noch überwiegend an den Bestand der Teilung ihres Landes und Europas fest geglaubt hatten. Polen brachte in dieses neue Verhältnis mit seinem deutschen Nachbar, der (auch als Preußen) in den vergangenen zwei Jahrhunderten politisch immer stark und (bis auf einzelne Jahre) konsequent antipolnisch war, große MInderwertigkeitskomplexe ein, die aus seiner ökonomischen und politischen Schwäche resultierten. Deutschland wiederum brachte in dieses Verhältnis vor allem ein grenzenloses, von negativen Vorurteilen bestimmtes Unwissen über "den Polen".

Heute, 25 Jahre später, können wir leider nicht behaupten, dass das deutsch-polnische Verhältnis, dessen Zustand zwischendurch offiziell tausendfach als "gelungene Versöhnung" angepriesen wurde, diese schweren Bürden los geworden ist. Optimistisch für die Zukunft stimmt zudem die Tatsache kaum, dass die Verantwortung für die gedrückte Stimmung, in der das Jubileum des Vertrages "gefeiert" wird, sowohl in Deutschland als auch größtenteils in Polen der Partei PiS und "dem Kaczynski" zugeschrieben wird. Mit dieser Schuldzuweisung wollen jene Vertreter der polnischen und deutschen Elite von ihrem Misserfolg ablenken, den spontanen Prozess der echten deutsch-polnischen Annäherung, die Millionen Deutsche und Polen ohne Rücksicht auf den offiziellen Versöhnungskitsch praktizierten, wirksam zu begleiten, geschweige denn zu beschleunigen oder wenn auch nur zu lenken.

Soziologische Befragungen belegen, dass negative Vorurteile nach wie vor die Meinung der Deutschen über Polen bestimmen. Es kommt hinzu, dass das Kennzeichen des polnischen Establishments entweder arrogante oder kritiklos-anbiederische Inkompetenz in deutschen Angelegenheiten geblieben ist. Währenddessen haben diejenigen Wenigen aus der deutschen politischen Klasse, die sich ernsthaft mit Polen beschäftigen, ihr Wissen über und ihr Verständnis für den östlichen Nachbar wesentlich erweitert bzw. vertieft. Über das Erlernen von Polen erzählen die heute von "Wyborcza" abgedruckten Interviews mit (ausgewählten) deutschen Korrespondenten aus Polen (siehe Deutsche Korrespondenten über ihre Polen-Erfahrung). Auch sie haben jedoch zu den heutigen Problemen des deutsch-polnischen Verhältnisses wesentlich beigetragen, indem sie oft gegen die Prinzipien des guten Journalismus verstoßen und ein einseitiges Bild Polens propagierten. Das hat heute nicht nur zur Folge, dass Deutsche auf den politischen Richtungswechel in Polen im vergangenen Jahr unvorbreitet waren. Dieses einseitige Bild hat darüber hinaus den innenpolitischen Kampf in Polen angeheizt und zur politischen Polarisierung Polens in das pro- und antideutsche Lager beigetragen. Dabei wissen die Polen, wie erwähnt, sehr wenig über Deutschland. Dass das wichtigste politische Kampfblatt in Polen ("Gazeta Wyborcza" - sie hat immer weniger Grund, sich eine "Gazeta" zu nennen) in Deutschland niemals einen Dauerkorrespondenten hatte, spricht in diesem Zusammenhang Bände.

Die Zukunftsaussichten der deutsch-polnischen Beziehungen sind jedoch - trotz aller Fehler und Unterlassungen der ihren Aufgaben nicht gewachsenen Eliten - nicht hoffnungslos. Zum einen nimmt buchstäblich mit jedem Tag die Intensität des Verhältnisses zu, wobei zum ersten Mal seit der Zwischenkriegszeit auf der deutschen Seite das Interesse an Polen wächst. Zum anderen wachsen in beiden Ländern neue Eliten heran. Wenn Polen für die jungen Deutschen weiterhin immer attraktiver wird, könnten die Nachbarn in einer oder zwei Generationen wirklich zueinander finden. Vorausgesetzt: Die Europäische Union existiert dann noch. Sonst kann alles befürchtet werden.