02.08.2016

Bequeme Amnesie deutscher Eliten

Erinnert sich noch jemand an den August des vergangenen Jahres, als die deutsche Presse, Politiker und Intellektuelle über den ungarischen Premierminister und - einfach so - über sein Land kübelweise Dreck und Hohn gossen? Der Grund: Die ungarische Regierung, in wenigen Wochen mit 150 000 Flüchtlingen in ihrem Land konfrontiert, die sich weder registrieren noch in Flüchlingsheime bzw. -Lager bringen ließen (sondern gleich weiter nach Deutschland fahren wollten), baute einen Zaun an seiner durchlässigen Grenze zu Serbien. Als unmenschlich, menschenverachtend, beinahe faschistisch wurde in Deutschland das ungarische Vorgehen apostrophiert.

Wer schreibt und spricht heute hierzulande darüber, dass mittlerweile auch Mazedonien ähnlich wie Ungarn abgeriegelt ist? Wen in diesem Land der moralischen Massenmedien nteressiert nun die Tatsache, dass Bulgarien bereits die Hälfte seiner Grenze zur Türkei mit Zaun und Stacheldraht abgeriegelt hat? Wer protestiert dagegen, dass Bulgarien dabei ist, sie vollständig zu schließen?

Es interessiert niemanden. Es überwiegt die immer häufiger ausgesprochene Hoffnung, dass der Diktator am Bosphorus trotz aller Spannungen mit Deutschland es vor der "Flüchllingswelle" (dieses schlimme Wort darf man mittlerweile ausssprechen!) schützen wird.

Und die wichtigste Frage: Sind die heute so zurückhaltenden Moralisten aus Presse, Politik und Kultur Zyniker, Dummköpfe oder Gutmenschen (also eine Mischung aus den Zuvorgenannten)?

Unabhängig davon, welche dieser Antworten richtig ist, ist sie für die Zukunft der EU nicht gut, in der die deutschen Eliten ohne jegliche demokratische Legitimation laut die Führungsrolle beanspruchen. Menschen, die Augen vor Wirklichkeit verschließen, sind in Politik gefährlich.