Man soll gegen den Strom schwimmen. Mit dem Strom schwimmt der Müll. (Zbigniew Herbert)
25.01.2020
Was in Deutschland nicht veröffentlicht werden soll
Abgelehnt von denjenigen, bei denen ich früher mehrfach publiziert habe. Nacheinander: Die Welt, Tagesspiegel, Tichy. Man soll offenbar nicht zeitgleich gegen Merkel und Höcke sein.
Nun der Text:
„Große Koalition“ beschädigt die Demokratie
Durch Wahlniederlagen katastrophaler Ausmaße ist die so genannte Große Koalition seit zwei Jahren nur dem Namen nach das, was sie zu sein vorgibt. Im Bundestag verfügt sie bloß über knappe Mehrheit, von den Ländern ganz zu schweigen. Während sie vor 2017 vor allem die politische Opposition künstlich marginalisierte, zersetzt sie seitdem das Parteiensystem. Das hängt damit zusammen, dass in Demokratien jene Parteien, die nach verlorener Wahl an der Macht bleiben, nicht gerade glaubwürdig sind.
Wie agieren nicht glaubwürdige Regierungsparteien? Sie fördern die politische Polarisierung im Land, um sich vor dem Hintergrund der bösen Gegner als *good guys* ausgeben zu können. Sie schwören den unpräzisen „Kampf gegen rechts“ (im Fall der CDU also gegen sich selbst von früher) herauf, und erkennen in einem Rechtsradikalen lautstark das Gesicht der alles in allem bieder-nationalen, proputinschen AfD. Sie warnen vorm Chaos, wenn ihre Regierung fallen sollte, als wäre eine Minderheitsregierung in Deutschland keine demokratische Option. Sie versuchen, mit den populären „grünen“ Themen ihren fortschreitenden Glaubwürdigkeitsverlust zu übertünchen. Angela Merkel, die einst als Reformerin mit wirtschaftsliberalen Zügen angetreten war und scheiterte, später als Kanzlerin der Stabilität punktete, verwandelt sich nun in eine Kämpferin gegen „den Klimawandel“, indem sie ihrer zitternden Regierung immer neue Ziele setzt, von denen jeder weiß, dass sie nicht mehr als Zahlen auf Papier sind.
Alles vergeblich. Das parlamentarische System und die politische Freiheit schaffen Abhilfe gegen die Marginalisierung der Opposition, auch wenn die Unterstützer der „Großen Koalition“ eng zusammenrücken: die Parteienfunktionäre, von denen viele Staatsämter bekleiden, die Alten, die ihre politischen Präferenzen nicht mehr ändern können, sowie die von Ängsten vor den „Klimaleugnern“ und „den Nazis in der AfD“ getriebenen Bürger (soweit sie nicht in den zwei erstgenannten Gruppen enthalten sind).
Das unausweichliche Ende des Zusammenschlusses der CDU mit der abtretenden SPD wird lediglich hinausgezögert. Jene früheren Anhänger der CDU und der SPD, denen etwas mehr als der zweifelhafte Machterhalt ihrer politischen Vereine wichtig ist, wählen schon lange vorzugsweise die AfD, die Grünen oder die Linke. Die FDP, die zu ihren Prinzipien steht, wird von ihnen übrigens kaum gewürdigt, weil die Deutschen den Liberalismus grundsätzlich nicht mögen.
Die „Große Koalition“ hat nicht Glaubwürdigkeit gewonnen, sondern durchaus starke Opposition produziert.
Der Kreis schließt sich: Um nicht unterzugehen, halten sich die ehemals großen Parteien krampfhaft an der Macht, und sie gehen gerade deshalb unter. Mit ihnen verschwindet das stabile Parteiensystem, ohne das keine repräsentative Demokratie gut funktionieren kann. Glaubt jemand daran, dass Angela Merkel auch noch in die Rolle eines Macron mit einer eigenen Bewegung hineinschlüpfen könnte?
Dank der Selbstzerstörung der Großparteien ist den Grünen nach ihrem langen, bequemen Marsch durch die Mäander des kapitalistischen Wohlstands die politisch-mediale Vorherrschaft in der Republik in den Schoss gefallen. Sie werden diese vielleicht in einer grün-schwarzen Koalition politisch auskosten können. Die Kehrseite ihres Erfolges stellt jedoch die außerhalb des im Verfall begriffenen Parteiensystems verborgene Stärke des national-konservativen Lagers dar. Dieses wird eher oder später an die Macht kommen. Die Frage ist, ob mit Björn Höcke an der Spitze.