23.09.2016

Meine Antwort auf die Bemerkung von Dr. Roman Kryvonos zum Film "Wolyn" von Wojciech Smarzewski

Ich postete auf FB den folgenden Vermerk: „Ein wichtiger polnischer Regisseur, Wojciech Smarzewski, hat einen Film über das Wolhynien-Massaker 1943-1944 gedreht - "Wolyn". Der Film verspricht, etwas mehr Wahrhaftigkeit in den leider schwierigen Prozess der polnisch-ukrainischen Aussöhnung zu bringen, der immer noch zum Teil auf Verschweigen von wichtigen Problemen und auf Lügen über gemeinsame Geschichte aufbaut. Smarzewski: >Man kann keine Versöhnung betreiben, indem man die Wahrheit und den Teppich kehrt<. Ich fügte dem noch einen Link zum entsprechenden trailer hinzu.

Mein guter ukrainischer Bekannter und FB-Freund, Dr. Roman Kryvonos aus Kiew, reagierte darauf mit dieser Frage: Sollen die Ukrainer jetzt einen Film über die Taten von Armija Krajowa in Bieszczady oder Region von Chelm/Kholm drehen?

Diese Reaktion auf den Film von Smarzewski, die sogar für gebildete Ukrainer typisch ist, kann leider nicht nur als ein in der heutigen Lage der Ukraine vielleicht sogar verständlicher emotionaler Reflex interpretiert werden, und sie erfordert eine längere Antwort. Ich hoffe, dass sie von meinen ukrainischen Freunden nicht missverstanden wird. Sie lautet folgendermaßen:

Warum nicht? Die Ukraine ist seit 1991 ein freies Land. Hoffentlich wird es ein guter Film. Es wäre bloß schön, wenn in diesem künftigen ukrainischen Werk jene historische Wahrheit nicht verdrängt sein würde, dass das Ausmaß der von Ihnen genannten, von Polen begangenen Verbrechen ungleich kleiner als das des Wolhynien-Massakers war. Auch die entsprechenden historischen Zusammenhänge sowie politischen Intentionen der Entscheidungsträger wie auch die Zusammensetzung der Verbrecher waren sehr unterschiedlich. In diesem Kontext betrifft der wichtigste Unterschied die besagte Intention: Weder in der Umgebung von Chelm noch bei der vom kommunistischen Regime durchgeführten „Aktion Weichsel“ ging es darum, alle Ukrainer umzubringen, was bekanntlich das Ziel der nationalistischen UPA-Formationen in Bezug auf die Polen in Wolhynien und Galizien gewesen war.

Wenn aber ein solcher ukrainischer Film entstünde, dann hätten seine Produzenten selbstverständlich das Recht, ihre Sicht der Dinge darzulegen. Wäre diese Sicht falsch, dann würden sie über sich selbst kein gutes Zeugnis abgeben. Wichtig ist freilich zu betonen, dass niemand, darunter selbstverständlich kein Pole, das Recht haben würde, den Film zu kritisieren, bevor dieser gezeigt wäre.

In der Ukraine hat aber leider bereits die Absicht des großen polnischen Regisseurs, das Werk zu drehen, heftige Kritik und infame Vorwürfe ausgelöst. Dabei ist die Erwartung, dass man in Polen nach einem halben Jahrhundert der kommunistischen Herrschaft, die die Wahrheit über das Wolhynien-Massaker verschwieg, keinen Film über die grausamen Morde von damals drehen darf – gelinde gesagt – unvernünftig. Immerhin geht es hier um zumindest 100 000 regelrecht abgeschlachtete Polen, worüber nicht zuletzt in dem vor einigen Jahren erschienenen Werk des Historikers Grzegorz Motyka über das Wolhynien-Massaker und die „Aktion Weichsel“ nachzulesen ist. Vor diesem Hintergrund ist es ein primär polnischer Skandal, dass dieser Film im freien Polen so lange auf sich warten ließ.


Heute auf dem Filmfestival in Gdynia endlich gezeigt, wurde "Wolyn" einhellig als ein künstlerisches Meisterwerk beurteilt. Die wie die meisten polnischen Pressetitel sehr Ukraine-freundliche "Gazeta Wyborcza" hat ihn vor ein paar Stunden sogar zum wichtigsten polnischen Film nach 1989 erklärt. Dies geschah nicht aus politischen Gründen. Vielmehr lobte der Rezensent dieser Zeitung, dass im Film das Böse im Menschen thematisiert wird, nicht so sehr das polnisch-ukrainische Verhältnis 1943-1944. In „Wolyn“ würden auch Polen gezeigt, die auf die grausamen Verbrechen der UPA und der ukrainischen Bauern selbst mit dem Griff zu Äxten und Mistgabeln reagierten.

Wenn dieses Urteil über die Qualität des Films stimmt, dann hat Smarzewski künstlerisch Großes geleistet. Ausschließlich die Fähigkeit der Zuschauer, seine Message zu empfangen, wird darüber entscheiden, ob diese Leistung gewürdigt wird und der Film – ganz beiläufig – bei den Polen und Ukrainern (wie auch bei Zuschauern aus anderen Ländern) das Gute weckt. Und Menschen, in denen das Gute lediglich schlummert, sind leicht zum Bösen zu verführen. 
Auch in Jan Mayers Roman "Die Glaskugel" wird Wolyn thematisiert 

17.09.2016

17.September 1939 heute

Am 17. September 1939 ist die Sowjetunion für alle sichtbar zum Verbündeten des Dritten Reiches geworden, indem sie im Einklang mit dem Hitler-Stalin-Pakt das von Deutschland überfallene Polen ihrerseits angegriffen und für mehrere Jahrzehnte der Unabhängigkeit beraubt hatte. Die damals in Gang gebrachte Politik der völkerrechtswidrigen Neuordnung der Grenzen im Zentrum und Osten des Alten Kontinents wird heutzutage durch den Nachfolger der UdSSR - die Russländische Föderation - fortgesetzt. Wie damals gibt es auch heute Menschen im Westen, die die Prinzipien der westlichen Welt verletzen und somit dem verbrecherischen Regime im Kreml in die Hände spielen. Deshalb leben wir immer noch im Schatten des 17. September 1939, der mit gutem Grund als der Tag des Gedenkens an die Opfer der Totalitarismen gilt.

Residenz eines russischen Staatsmannes, dessen Name für NICHTS steht


Aleksej Nawalnyj spricht in dem geposteten Video unten über die bis dato verborgene Residenz eines Mannes, der seit Jahren im Auftrag Putins den Vorsitzenden der Regierungspartei "Einheitliches Russland" und auch den Premierminister Russlands mimt. Auch diejenigen, die Russisch nicht verstehen, kommen dank der außergewöhnlichen Bilder im Video auf ihre Kosten (für die Ungeduldigen: der Film beginnt in der 90. Sekunde). Nawalnyj stellte vor der Aggression gegen die Ukraine 2014, wegen der die meisten Russen ihren Präsidenten bis heute massiv unterstützen und den besagten Charismatiker in seiner schauspielerischen Doppelfunktion dulden, eine reale Herausforderung für das russische Regime dar. Von diesem öffentlich kriminalisiert, fordert Nawalnyj in diesem Clip seine Landsleute dazu auf, bei den "Parlamentswahlen" am 18. September gegen die regierende Partei zu stimmen. Die am Video-Ende eingeblendeten Zahlen beziehen sich auf die Durchschnittseinkommen in Russland und jenen Ländern, aus denen die zuvor gezeigten Fotos von den Häusern kommen, in denen die westlichen Regierungschefs leben.
 Residenz eines russischen Staatsmannes

02.08.2016

Bequeme Amnesie deutscher Eliten

Erinnert sich noch jemand an den August des vergangenen Jahres, als die deutsche Presse, Politiker und Intellektuelle über den ungarischen Premierminister und - einfach so - über sein Land kübelweise Dreck und Hohn gossen? Der Grund: Die ungarische Regierung, in wenigen Wochen mit 150 000 Flüchtlingen in ihrem Land konfrontiert, die sich weder registrieren noch in Flüchlingsheime bzw. -Lager bringen ließen (sondern gleich weiter nach Deutschland fahren wollten), baute einen Zaun an seiner durchlässigen Grenze zu Serbien. Als unmenschlich, menschenverachtend, beinahe faschistisch wurde in Deutschland das ungarische Vorgehen apostrophiert.

Wer schreibt und spricht heute hierzulande darüber, dass mittlerweile auch Mazedonien ähnlich wie Ungarn abgeriegelt ist? Wen in diesem Land der moralischen Massenmedien nteressiert nun die Tatsache, dass Bulgarien bereits die Hälfte seiner Grenze zur Türkei mit Zaun und Stacheldraht abgeriegelt hat? Wer protestiert dagegen, dass Bulgarien dabei ist, sie vollständig zu schließen?

Es interessiert niemanden. Es überwiegt die immer häufiger ausgesprochene Hoffnung, dass der Diktator am Bosphorus trotz aller Spannungen mit Deutschland es vor der "Flüchllingswelle" (dieses schlimme Wort darf man mittlerweile ausssprechen!) schützen wird.

Und die wichtigste Frage: Sind die heute so zurückhaltenden Moralisten aus Presse, Politik und Kultur Zyniker, Dummköpfe oder Gutmenschen (also eine Mischung aus den Zuvorgenannten)?

Unabhängig davon, welche dieser Antworten richtig ist, ist sie für die Zukunft der EU nicht gut, in der die deutschen Eliten ohne jegliche demokratische Legitimation laut die Führungsrolle beanspruchen. Menschen, die Augen vor Wirklichkeit verschließen, sind in Politik gefährlich.

16.06.2016

25 Jahre des deutsch-polnischen Freundschafts- und Nachbarschaftsvertrages

Vor 25 Jahren wurde der deutsch-polnische Freudschafts- und Nachbarschaftsvertrag unterzeichnet. Der zum Politiker aufgestiegene Intellektuelle Mazowiecki und die etwas korrupte politische Kampfmaschine Kohl mochten zwar nicht einander, haben den Vertrag aber vorbereitet. Ein infolge der jahrzehntelangen kommunistischen Herrschaft de facto bankrottes Polen, das gerade eben seine 1939 verlorene Souveränität durch klugen antikommunistischen, auf die Überwindung des Jalta-Systems gerichteten Kampf wiedererlangt hatte, näherte sich einem satten, damals schon selbstzufriedenen Deutschland an, dessen Intellektuelle und politische Klasse einige Jahre zuvor noch überwiegend an den Bestand der Teilung ihres Landes und Europas fest geglaubt hatten. Polen brachte in dieses neue Verhältnis mit seinem deutschen Nachbar, der (auch als Preußen) in den vergangenen zwei Jahrhunderten politisch immer stark und (bis auf einzelne Jahre) konsequent antipolnisch war, große MInderwertigkeitskomplexe ein, die aus seiner ökonomischen und politischen Schwäche resultierten. Deutschland wiederum brachte in dieses Verhältnis vor allem ein grenzenloses, von negativen Vorurteilen bestimmtes Unwissen über "den Polen".

Heute, 25 Jahre später, können wir leider nicht behaupten, dass das deutsch-polnische Verhältnis, dessen Zustand zwischendurch offiziell tausendfach als "gelungene Versöhnung" angepriesen wurde, diese schweren Bürden los geworden ist. Optimistisch für die Zukunft stimmt zudem die Tatsache kaum, dass die Verantwortung für die gedrückte Stimmung, in der das Jubileum des Vertrages "gefeiert" wird, sowohl in Deutschland als auch größtenteils in Polen der Partei PiS und "dem Kaczynski" zugeschrieben wird. Mit dieser Schuldzuweisung wollen jene Vertreter der polnischen und deutschen Elite von ihrem Misserfolg ablenken, den spontanen Prozess der echten deutsch-polnischen Annäherung, die Millionen Deutsche und Polen ohne Rücksicht auf den offiziellen Versöhnungskitsch praktizierten, wirksam zu begleiten, geschweige denn zu beschleunigen oder wenn auch nur zu lenken.

Soziologische Befragungen belegen, dass negative Vorurteile nach wie vor die Meinung der Deutschen über Polen bestimmen. Es kommt hinzu, dass das Kennzeichen des polnischen Establishments entweder arrogante oder kritiklos-anbiederische Inkompetenz in deutschen Angelegenheiten geblieben ist. Währenddessen haben diejenigen Wenigen aus der deutschen politischen Klasse, die sich ernsthaft mit Polen beschäftigen, ihr Wissen über und ihr Verständnis für den östlichen Nachbar wesentlich erweitert bzw. vertieft. Über das Erlernen von Polen erzählen die heute von "Wyborcza" abgedruckten Interviews mit (ausgewählten) deutschen Korrespondenten aus Polen (siehe Deutsche Korrespondenten über ihre Polen-Erfahrung). Auch sie haben jedoch zu den heutigen Problemen des deutsch-polnischen Verhältnisses wesentlich beigetragen, indem sie oft gegen die Prinzipien des guten Journalismus verstoßen und ein einseitiges Bild Polens propagierten. Das hat heute nicht nur zur Folge, dass Deutsche auf den politischen Richtungswechel in Polen im vergangenen Jahr unvorbreitet waren. Dieses einseitige Bild hat darüber hinaus den innenpolitischen Kampf in Polen angeheizt und zur politischen Polarisierung Polens in das pro- und antideutsche Lager beigetragen. Dabei wissen die Polen, wie erwähnt, sehr wenig über Deutschland. Dass das wichtigste politische Kampfblatt in Polen ("Gazeta Wyborcza" - sie hat immer weniger Grund, sich eine "Gazeta" zu nennen) in Deutschland niemals einen Dauerkorrespondenten hatte, spricht in diesem Zusammenhang Bände.

Die Zukunftsaussichten der deutsch-polnischen Beziehungen sind jedoch - trotz aller Fehler und Unterlassungen der ihren Aufgaben nicht gewachsenen Eliten - nicht hoffnungslos. Zum einen nimmt buchstäblich mit jedem Tag die Intensität des Verhältnisses zu, wobei zum ersten Mal seit der Zwischenkriegszeit auf der deutschen Seite das Interesse an Polen wächst. Zum anderen wachsen in beiden Ländern neue Eliten heran. Wenn Polen für die jungen Deutschen weiterhin immer attraktiver wird, könnten die Nachbarn in einer oder zwei Generationen wirklich zueinander finden. Vorausgesetzt: Die Europäische Union existiert dann noch. Sonst kann alles befürchtet werden.

28.05.2016

Belarus wird das nächste Ziel Putins sein

Belarus ist das nächste Land, an dem sich Putin reiben wird, auf welche Art auch immer. Und Belarus wird dabei vom Westen verraten werden wie Georgien 2008, die Ukraine 2014 oder - früher - Polen bzw. die Tschechoslowakei.
Unser Außenminister (vom Wirtschaftsminister ganz zu schweigen - mehr hat er auch nicht verdient) gibt bereits das Abkommen Minsk 2 auf. Dabei bietet Minsk 2 doch keine Lösung der Ukraine-Krise. Minsk 2 ist auch für Angela Merkel ein Mittel, den Verrat ihrer Regierung an der Ukraine und am Völkerrecht zu vertuschen. Denn Minsk 2 überlässt stillschweigend die Krim Russland, indem es ausschließlich dem Donbass-Konflikt gewidmet ist. Die Ukraine ist von der EU (Deutschland und Frankreich) gezwungen worden, das zu akzeptieren.
Belarus, wo dieses Abkommen ausgehandelt wurde, wird gerade mit der Gefahr konfrontiert, seine staatliche Souveränität, die ihr Präsident zwecks seines Machterhalts ohnehin Schritt für Schritt an Russland verkauft, ganz zu verlieren. Es ist eine der Sachen, die mir dank meiner gerade beendeten Belarus-Reise noch deutlicher als zuvor bewusst geworden ist.
Es erwartet uns eine belarussisch-russische Auseinandersetzung um die Unabhängigkeit von Belarus. Deutschland, seine Eliten und Öffentlichkeit sind schlichtweg außerstande, an ihr teilzunehmen und werden trotzdem wegen ihrer Bedeutung für die EU wichtige Rolle dabei spielen. Armes Belarus, arme EU...

Es droht eine Situation, in der die Belarussen alleine gelassen werden. "A faryzeusz mimo idzie zadumany" (C.K. Norwid)

16.03.2016

Mein Buch "Die Ukrainekrise ist eine Krise Europas" ist endlich da!

Nachdem ich nicht zuletzt auf der Leipziger Buchmesse mein Buch "Die Ukrainekrise ist eine Krise Europas" vorgestellt habe, ist es nun bei Amazon bestellbar (http://www.amazon.de/Ukraine-Krise-eine-Krise-Europas-fotoTAPETA__flugschrift/dp/3940524492/ref=sr_1_1?ie=UTF8&qid=1457796743&sr=8-1&keywords=jerzy+mackow) - auch als kindle-edition beziehbar (http://www.amazon.de/Ukraine-Krise-eine-Krise-Europas-fotoTAPETA__flugschrift/dp/3940524492/ref=sr_1_1?ie=UTF8&qid=1457796743&sr=8-1&keywords=jerzy+mackow).

Es war nicht einfach, dieses Buch, das ursprünglich auch ca. 70 farbige Illustrationen enhalten sollte, zu veröffentlichen. Es war die Bonner Akademie für Forschung und Lehre Praktischer Politik (BAPP), die es mir im Jahre 2013 in Auftrag gab. Sie lehnte aber im März 2015 die Publikation des von mir erstellten "einseitigen" und "antirussischen" Manuskriptes ab. Diese Vorgänge hatte ich in diesem Blog bekannt gemacht (wie eine sich "Akademie" nennende universtitätsnahe Institution auf die Putin-kritische Meinungsäußerung reagiert), woraufhin sich bei mir der mir zuvor unbekannte Leiter des NicoLai Verlags, Alexander Stegman, meldete. Nach Lektüre des Manuskripts lud er mich zum Gespräch nach Berlin ein, lobte das ihm zuvor zugeschickte Manuskript ausdrücklich und wollte es als Buch herausgeben, allerdings ohne die Illustrationen, deren Publikation die Druckkosten in Höhe treiben würde. Meine Versuche, für die Fotos von eingen Zentralen für Politische Bildung einen Druckkostenzuschuss zu besorgen, scheiterten.

Einige Wochen später machte die BAPP unerwartet einen Schritt weg von der russischen hin zur westlichen Welt und erklärte sich bereit, das Buch doch noch zu veröffentlichen. Leider war der Schritt nicht groß genug, weil die Akademie darauf bestand, es zu zensieren: 

Wie sich der Geschäftsführer der BAPP nicht entblödet, einem Professor der Politikwissenschaft einen anderen Politik-Professor als Putin-freundliche Anstandsdame vorzuschlagen.

Wegen des fehlenden Druckkostenzuschusses habe ich mich nach der Absprache mit Alexander Stegman dazu entschieden, aus den kommentierten Illustrationen ein Kindle-Album u.d.T. "Ukrainische Ambivalenzen: Ein Bildalbum zum besseren Verständnis der Vergangenheit und Gegenwart der Ukraine" zu gestalten. Diese Edition kann seit Januar 2016 für 2,99 € bei Amazon erworben werden (Bildalbum zum Buch). Sie vertieft und erleichtert das Verständnis des Buchs über die Ukraine-Krise, das sich allerdings auch selbst "verteidigt".

Unerwartet kam aber die Absage des Chefs des NicoLai Verlages:

"Ihr Text [fordert] ganz offensichtlich dem deutschen Leser einen hohen Lesewiderstand ab.... Unsere Gutachter skizzieren ihn zum Teil mit Attributen wie: hasserfüllten, kriegshetzerischen, selbstgerechten Text". Man beachte die, man muss es schon leider sagen, unterschwellig Ausländerfeindlichkeit dieses Herren: Obwohl ich seit 30 Jahren für den deutschen Leser schreibe und mittlerweile ein deutscher Staatsbürger bin, sieht mich dieser Eingeborene als unfähig, für "den deutschen Leser" ein Buch zu verfassen. Mit der Bezeichnung "Gutachter" ehrte Herr Stegman zugleich eine Dame, die er offenbar für die Verkörperung des deutschen Lesers hält: ahnungslos und arrogant.

Solche Probleme hatte ich mit dem inhaltlich auf Mittel- und Osteuropa orientierten Verlag Edition Fototapeta nicht, bei dem mein Buch letzten Endes erschienen ist.

01.03.2016

Lech Wałęsa und das Ende der Allianz von Macht und Lüge

Lech Wałęsa, seit mehreren Jahren bereits eine tragisch verwirrte, von der Wahrheit über seine eigene Biographie gänzlich überforderte Person mit dem Bild der Guttesmutter in Jackenklappe, hat gestern in einem langen Fernsehinterview für einen ihm wohl gesonnenen Sender wieder mehrfach vorsätzlich Unwahrheit gesagt, während er geschworen, die besagte Madonna als Zeugin bemüht und zweimal das Zeichen des Kreuzes gemacht hat. Den Vorschlag eines bekannten Widerständlers aus der kommunistischen Zeit, der heute der älteste Abgeordnete im polnischen Parlament ist, Lech solle "in Wahrheit stehen und Reue zeigen", damit er "wieder mit uns" sein kann, hat er ausgelacht, indem er über den Autor des Vorschlags spottete. Henryk Jagielski, über den der künftige "Solidarność"-Vorsitzende in der ersten Hälfte der siebziger Jahre in seiner Eigenschaft als Spitzel des kommunistischen Geheimdienstes (SB) zutrug, hat er seinerseits einen "Spitzel" genannt. Jagielski, der heute 80 Jahre alt ist, will deshalb vors Gericht ziehen (Foto und Artikel über ihn auf Polnisch).

In einer alles in allem ruhigen und ausgewogenen öffentlichen Diskussion, die die Anhänger der das öffentliche Leben der Dritten Polnischen Republik oft regelrecht lähmenden Lüge über die Verwicklungen der realen und vermeintlichen Helden der "Solidarność" sowie der katholischen Kirche in die Machenschaften der kommunistischen Dienste nicht mehr verhindern können, setzt sich in Polen Schritt für Schritt die Wahrheit endlich durch. Wäre da nicht die PiS-Regierung, deren Vertreter augenblicklich in der laufenden Diskussion über Wałęsa weise Zurückhaltung üben, hätten die in der polnischen Politik, in den polnischen Medien, an den polnischen Universitäten und unter den Warschauer Korrespondenten einiger westlichen Zeitungen agierenden Lügner wahrscheinlich wieder Oberhand gewonnen. Noch vor einigen Tagen haben die Verteidiger des bigott erscheinenden "Symbols von Polen" es geschafft, ca. 100 000 Bürger auf die Straße zu bringen, die ihre Solidarität mit dem "angegriffenen" und von üblen Kräften "beschmutzten" Wałęsa demonstrierten.

Wie perfekt in Polen in der gar nicht so fernen Vergangenheit Macht und Lüge zusammenfinden konnten, zeigte das "Lustrationsgericht", das im Jahr 2000 trotz der erdrückenden Beweislage Wałęsa vom Vorwurf der Zusammenarbeit mit dem SB de facto freigesprochen hatte. Damit hatte der frühere Staatspräsident den Freibrief bekommen, gegen jene Menschen aus dem antikommunistischen Widerstand gerichtlich vorzugehen, die über seine SB-Vergangenheit die Wahrheit sagten. Er, mittlerweile ein reicher Mann, nutzte diese Möglichkeit immer wieder, weshalb die manchmal mittellosen Betroffenen mit hohen Geldstrafen belegt wurden. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund der Vereinnahmung der staatlichen Institutionen durch die Anhänger der Lüge ist es anzunehmen, dass ohne die PiS an der Regierung auch die Wahrheit darüber, dass beim verstorbenen ehemaligen Innenminister Kiszczak die mittlerweile öffentlich zugänglich gemachten Dokumente über die Zusammenarbeit Wałęsas mit dem SB gefunden worden sind, verschleiert worden wäre.

Obwohl die Partei Jarosław Kaczyńskis nach ihrem überwältigenden Wahlsieg im vergangenen Herbst inzwischen durch rabiaten Umgang mit dem Verfassungsgericht an Glaubwürdigkeit verloren hat, behindert nun in Polen die Macht die Wahrheit nicht mehr. Dass dabei das Bild der "Solidarność“ und überhaupt des polnischen Widerstandes gegen den Kommunismus ruiniert wird, dafür tragen dejenigen Verantwortung, die jahrzehntelang Unwahrheit pflegten. Bescheidene und häufig betrogene Teilnehmer an diesem Widerstand wie Henryk Jagielski, von denen es in Polen Hunderttausende gegeben hatte, haben es nicht verdient, dass ihre großartige Bewegung "Solidarność“ als eine verschworene Gemeinschaft erscheint, deren Mitglieder einander mit unredlichen Mitteln unterstützen. Immerhin ist Jagielski und anderen jetzt möglich, mit Aussicht auf Erfolg vor einem polnischen Gericht den Menschen zu verklagen, der sie verunglimpft, ohne dass sich das Lager der Lüge darüber lautstark lustig machen wird.

Der Widerstand dieser während der vergangenen Vierteljahrhunderts zu Unrecht vergessenen "kleinen Menschen" war von universalen Werten wie etwa (das Streben nach) Wahrheit getragen gewesen. Diese Werte wurden von zahlreichen Profiteuren des Wandels nach 1989 konsequent verraten, wodurch die Qualität der polnischen nationalen Gemeinschaft wie jene des polnischen Staates nachhaltig beschädigt worden ist. Jeder, dem Wahrheit am Herzen liegt, kann die geistige Krise, in die Polen jetzt gerutscht ist, nur gut heißen.

21.02.2016

Fakten zum Fall Lech Wałęsa

Da im Fall Lech Wałęsas heute sehr viel gelogen, aber auch verschleiert und (nach)geplappert wird, zähle ich hier in Punkten Tatsachen auf, die - bis die Falschheit der heute zugänglichen Unterlagen bewiesen wird (was kaum wahrscheinlich erscheint) - nicht in Frage gestellt werden können:

1) Lech Wałęsa – gemäß den inzwischen zugänglichen Unterlagen der kommunistischen Geheimpolizei Ende Dezember 1970 als "Bolek" registriert  war in den Jahren 1970-1976 ein geheimer Mitarbeiter (Polnisch: tajny wspołpracownik - TW) des Sicherheitsdienstes der Volksrepublik Polen (SB) gewesen.


2) Er berichtete in dieser Zeit über die politischen Aktivitäten seiner Kollegen an der Lenin-Werft und nahm dafür relativ viel Geld. Betroffene behaupten, dass er damit den Arbeitern, die sich für Rechte der Beschäftigten einsetzten, geschadet hatte. 


3) Er hat im Jahre 1976 aus freien Stücken die Beziehungen zum SB abgebrochen, womit er Nachteile in Kauf genommen hat, die auf ihn  dann auch zukamen (etwa Arbeitsverlust)


4) Er hat während der achtziger Jahre als Vorsitzender der am 13. Dezember 1981 von der Herrschaftsclique um Wojciech Jaruzelski verbotenen Gewerkschaftsbewegung "Solidarnosc" auf die Verständigung mit den Kommunisten gesetzt.
Die damalige Politik von Wałęsa hat Polen wahrscheinlich vor einer Tragödie des Krieges mit der Sowjetunion gerettet. Für diese Politik kritisierten ihn damals viele Menschen aus der antikommunistischen Bewegung, die im Gegensatz ihm eine Konfrontation mit den kommunistischen Machthabern und die Machtübernahme durch die "Solidarnosc" anstrebten. Heute in Polen mächtig, stehen diese Menschen auf seiner Seite, indem sie die Wahrheit über die unter den Punkten 1, 2 und 3 beschriebenen Zusammenhänge konsequent verschleiern.

5)
Wałęsa versuchte behutsam, in seinen (ersten) Memoiren (1988) die Episode der Zusammenarbeit mit dem SB anzudeuten. Sehr wenige Menschen in Polen haben diese Tatsache damals zur Kenntnis genommen. In den polnischen Machtkämpfen der frühen neunziger Jahre haben die damaligen politischen Gegner Wałęsas (etwa Adam Michnik in der "Gazeta Wyborcza") versucht, ihr Wissen über seine Zeit als TW politisch auszuschlachten, ohne jemals über die Andeutungen hinauszugehen

6) Als Präsident der Republik Polen hat
Wałęsa in den Jahren 1992-1994 die in den Archiven des Sicherheitsdienstes der Republik Polen (UOP) befindlichen Dokumente des inzwischen aufgelösten kommunistischen Sicherheitsdienstes, die ihn betrafen und damals noch als geheim eingestuft waren,  ausgeliehen und unvollständig zurückgegeben (es fehlen mehrere Dutzend Seiten). Die zuvor erstellten Kopien dieser Dokumente wurden freilich von einigen wenigen Historikern als Quelle benutzt.

7) All das hätten alle in Polen problemlos wissen können, lange bevor die Frau des verstorbenen kommunistischen Innenministers, Czeslaw Kiszczak, im Februar 2016 versuchte, die in ihrem Haus aufbewahrten Unterlagen des kommunistischen Sicherheitsdienstes, die die Verpflichtungserklärung Wałęsas und die Zuträger-Zuschriften Boleks enthalten, der "polnischen Gauckbehörde" (IPN) zu verkaufen.
Im Jahre 2008 ist übrigens das wichtige, ausgezeichnete Buch "SB a Wałęsa" zu diesem Thema publiziert worden, das die Historiker Slawomir Cenckiewicz (mittlerweile Geschichtsprofessor) und Piotr Gontarczyk geschrieben hatten. Die heutigen Anhänger von Wałęsa (darunter "Gazeta Wyborcza") haben es niemals gewürdigt. Beide Autoren wurden vielmehr oft diffamiert.

8) Die von Frau Kiszczak "entdeckten" Unterlagen wurden am 22. Februar 2016 gemäß den polnischen Gesetzen Journalisten und Wissenschaftlern zugänglich gemacht. Dafür wurde die IPN massiv kritisiert. "Gazeta Wyborcza" zweifelte die Echtheit der Unterlagen und forderte mehrfach eine graphologische Untersuchung. Mittlerweile (November 2016) interessiert sich in Polen kaum jemand für das Thema.

9) Knapp ein Jahr später erklärten Graphologen, dass die besagten Unterlagen ohne jeden Zweifel echt sind.

10) In Deutschland hat nach meinem Wissen niemand klar geschrieben: Lech Wałęsa war ein Spitzes des kommunistischen Geheimdiensten gewesen. Das geschah nicht, weil selbst einige "Polen-Experten" es nicht wissen, und andere die Wahrheit nicht schätzen.

11)  Der Betroffene behauptet stets, niemals mit dem SB zusammengearbeitet zu haben.

14.02.2016

Kurzkommentar zur Münchener Sicherheitskonferenz

Bei seinem Besuch der Münchener-Sicherheitskonferenz vor zwei Jahren wurde der amerikanische Senator und ehemaliger Präsidentschaftskandidat John McCain hierzulande noch einhellig kritisiert, weil er es wagte, das kurz zuvor von Angela Merkel ausgehandelte Minsk-2-Abkommen zu kritisieren. Er wollte zudem den Ukrainern Waffen liefern. Im Jahre 2016 konstatieren wir einhellig das eigentlich seit Langem Bekannte, dass nämlich dieses Abkommen von Russland zu keinem Zeitpunkt eingehalten wurde. Vorgestern sprach Medwedew, mit dem Deutschland vor nicht mal einer Dekade eine "Modernisierungspartnerschaft" (Demokratisierung inbegriffen) undbedingt schließen wollte, auf der gleichen Konferenz unverschämt von einem "Bürgerkrieg" in der Ukraine und er warf dem Westen frech vor, für den "Kalten Krieg" seines Landes mit dem Westen verantwortlich zu sein. Während er daraufhin weitgehend einhellig endlich als das bezeichnet wird, was er immer gewesen war (ein Niemand von Putins Gnaden), wurde McCain hierzulande plötzlich hoffähig. Fazit: Deutschland verändert sich zwar in die richtige Richtung, aber leider sehr, sehr langsam - dieser Wandel hin zur Realität dauert bei der Führungsmacht der EU mittlerweile zwei Jahre. Sehr gefährlich für Europa ist die Tatsache, dass die politischen Kräfte, die der Bundesrepublik nüchtern das Wesen des russländischen Regimes erklären und beibringen, wegen der Flüchtlingskrise politisch immer schwächer werden. Und es ist immer noch nicht denkbar, dass Steinmeier als Außenminister entlassen sein würde. Und - wie fürchterlich es auch wäre - man kann überhaupt nicht ausschließen, dass Gabriel oder Seehofer an die Macht kommen könnten.

24.01.2016

JERZY J. MAĆKÓW: Wenn Deutschland seine Grenzen schließt...

JERZY J. MAĆKÓW: Wenn Deutschland seine Grenzen schließt...: Wenn Deutschland seine Grenzen schließt, fällt Schengen. Wenn Schengen fällt, ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass - unter den heutige...

Wenn Deutschland seine Grenzen schließt...

Wenn Deutschland seine Grenzen schließt, fällt Schengen. Wenn Schengen fällt, ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass - unter den heutigen Bedingungen der vieldimensionalen Krise - die EU fällt. Das bezwecken westliche Rechtsextremisten und Russland zusammen. Angela Merkel handelt sehr oft sehr opportunistisch und macht zuweilen große Fehler, besonders dann, wenn sie rücksichtslos ihre Macht sichert. Aber in dieser entscheidenden Frage zeigt sie Mut und legt eine wahrlich europäische Verantwortung an den Tag. Sie setzt damit ihr politisches Schicksal aufs Spiel. Alle Achtung!